Die Badezimmerschränke quellen über, gefüllt mit Tiegeln, Tuben und Fläschchen, die alle ein kleines Wunder versprechen. Manchmal fühlt sich die morgendliche Routine an wie eine komplexe Laborarbeit. Diese Fülle kann aber auch zu einer Belastung werden. Es geht darum, eine Balance zu finden und zu erkennen, welche Pflegeprodukte du nicht brauchst, um deiner Haut wirklich Gutes zu tun.
Disclaimer
Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine dermatologische Beratung. Bei Hautproblemen oder Unsicherheiten solltest du immer einen Facharzt oder eine Fachärztin aufsuchen, um eine auf dich abgestimmte Empfehlung zu erhalten.
Das stille Chaos im Badezimmerschrank
Neulich stand ich vor meinem Badezimmerschrank und hatte so einen Moment. Links die Seren, rechts die Cremes, dazwischen eine Ansammlung von Masken, Peelings und Tonern, von denen ich bei der Hälfte nicht mehr genau wusste, warum ich sie eigentlich gekauft hatte. Jedes einzelne Produkt war mal mit einer Hoffnung verbunden: reinere Poren, weniger Fältchen, dieser eine, sagenumwobene „Glow“. Stattdessen fühlte es sich an wie eine To-do-Liste, die ich jeden Morgen und Abend abarbeiten muss.
Dieses Gefühl der Überforderung ist kein Zufall. Die Kosmetikindustrie lebt davon, uns ständig neue Bedürfnisse zu suggerieren. Für jede kleinste Hautpartie, für jedes noch so spezifische Problemchen gibt es ein eigenes Produkt. Das führt nicht nur zu vollen Regalen, sondern auch zu einer Art „Entscheidungsmüdigkeit“. Der frühere US-Präsident Barack Obama trug beispielsweise nur blaue oder graue Anzüge, um seine mentale Energie für wichtigere Entscheidungen aufzusparen.[1] Wenn schon die Wahl der Kleidung Kraft kosten kann, was macht dann erst die tägliche Entscheidung zwischen fünf verschiedenen Seren mit uns? Genau hier setzt der Gedanke an, eine entschlackte Routine zu schaffen, indem man gezielt auf Pflegeprodukte verzichtet, die man nicht braucht.
Was ist Minimalismus in der Hautpflege eigentlich?
Minimalismus in der Hautpflege, oft auch als Simplify Skincare Routine bezeichnet, bedeutet nicht, gar nichts mehr zu verwenden. Es geht vielmehr darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: wenige, aber dafür hochwirksame und gut formulierte Produkte, die zu den eigenen Hautbedürfnissen passen. Es ist der Abschied von der Idee, dass mehr Schichten automatisch zu besseren Ergebnissen führen. Stattdessen steht die Qualität der Inhaltsstoffe und die Regelmäßigkeit der Anwendung im Vordergrund.
Dieser Ansatz spiegelt einen größeren gesellschaftlichen Wandel wider. Wir sehnen uns nach Klarheit und Ordnung, nicht nur in unseren Wohnungen, sondern auch in unseren Gewohnheiten.[3] Eine reduzierte Hautpflegeroutine kann wirklich befreiend wirken. Sie spart nicht nur Zeit und Geld, sondern reduziert auch das Risiko von Hautreizungen, die durch das Kombinieren zu vieler verschiedener Wirkstoffe entstehen können. Studien deuten darauf hin, dass ein minimalistischer Lebensstil, der bewussten Verzicht einschließt, zu einem größeren Wohlbefinden und einem Gefühl der Erfüllung beitragen kann.[2] Man fokussiert sich auf das, was wirklich zählt – und das gilt eben auch für die Haut.
Pflegeprodukte die du nicht brauchst: Eine kurze Bestandsaufnahme
Der erste Schritt zu einer einfacheren Routine ist eine akribische Inventur. Welche Produkte sind wirklich die Basis deiner Pflege und welche sind nur teure Statisten? Oft sind es gerade die Produkte, die uns mit großem Marketingaufwand als unverzichtbar verkauft werden, auf die wir am ehesten verzichten können. Lass uns einige dieser Kandidaten genauer betrachten.
Gesichtswasser (Toner): Ein Relikt aus alten Zeiten?
Früher war Gesichtswasser dazu da, den pH-Wert der Haut nach der Reinigung mit aggressiven, seifenbasierten Waschstücken wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Moderne Reinigungsprodukte sind jedoch meist pH-neutral oder nur leicht sauer, sodass dieser Schritt in der Regel eher überflüssig geworden ist. Ein sanfter Reiniger hinterlässt keine Seifenreste und stört den natürlichen Säureschutzmantel der Haut kaum noch. Viele Toner, besonders solche mit hohem Alkoholgehalt, können die Haut sogar austrocknen und reizen.
Natürlich gibt es Ausnahmen: Manche Toner enthalten pflegende oder aktive Inhaltsstoffe wie Hyaluronsäure, Niacinamid oder milde Säuren und übernehmen deshalb eher eine Rolle als eine Art flüssiges Serum. Wenn du so ein Produkt liebst und es deiner Haut guttut, bleib dabei. Aber das klassische, klärende Gesichtswasser ist für die meisten Hauttypen ein überflüssiger Zwischenschritt. Oft reicht es völlig, nach der Reinigung direkt mit einem Serum oder einer Feuchtigkeitspflege fortzufahren.
Separate Augencremes: Ein teures Versprechen
Die Haut um die Augen ist dünner und empfindlicher, das stimmt. Aber braucht sie deswegen zwingend eine eigene Creme? Meistens lautet die ganz klare Antwort: nein. Die Inhaltsstoffe in Augencremes unterscheiden sich oft nur marginal von denen einer guten Gesichtscreme. Meistens handelt es sich um eine leichtere, reizärmere Formulierung der „normalen“ Feuchtigkeitspflege – verpackt in einem viel kleineren und teureren Tiegel.
Wenn deine Gesichtscreme gut verträglich, unparfümiert und mit sinnvollen Wirkstoffen formuliert ist, kannst du sie bedenkenlos auch für die Augenpartie verwenden. Klopfe sie sanft ein, um die empfindliche Haut nicht zu zerren. Eine spezielle Augencreme kann dann sinnvoll sein, wenn du zu Milien (kleinen Grießkörnern) neigst und eine sehr leichte Textur benötigst oder wenn du ein Produkt mit speziellen Wirkstoffen wie Retinol in einer für die Augenpartie angepassten Konzentration suchst. Für die tägliche Basispflege ist sie aber eher Luxus als Notwendigkeit.
Zuletzt aktualisiert am 14. Juli 2025 um 10:22 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.Mechanische Peelings: Oft zu grob für die Haut
Das Gefühl von frisch gepeelter, glatter Haut ist verlockend. Doch mechanische Peelings mit groben Partikeln – ob aus zermahlenen Aprikosenkernen, Zuckerkristallen oder Mikroplastik – sind oft zu aggressiv. Sie können winzige, unsichtbare Risse in der Hautbarriere verursachen, die zu Rötungen, Irritationen und sogar Entzündungen führen. Sie schleifen die Hautoberfläche eher ab, als sie sanft zu erneuern.
Eine viel schonendere und effektivere Alternative sind chemische Peelings. Das klingt vielleicht gefährlicher, ist es aber nicht. Produkte mit Fruchtsäuren (AHAs wie Glykolsäure) oder Salicylsäure (BHA) lösen abgestorbene Hautschüppchen auf molekularer Ebene, ohne mechanische Reibung. Sie wirken gleichmäßiger und können zusätzlich positive Effekte haben, etwa die Kollagenproduktion anregen oder Unreinheiten bekämpfen. Selbst ein weicher Waschlappen, in kreisenden Bewegungen verwendet, bietet eine sanfte und völlig ausreichende Peeling-Wirkung für den Alltag.
Detox-Masken und ihr großes Reinheitsversprechen
Der Begriff „Detox“ ist im Kosmetikbereich pures Marketing. Unser Körper wird nicht über die Haut entgiftet, dafür sind Leber und Nieren zuständig. Eine Maske kann keine Giftstoffe aus den Poren ziehen. Was sogenannte Detox-Masken, meist auf Basis von Tonerde oder Aktivkohle, tatsächlich tun, ist, überschüssigen Talg und Öl von der Hautoberfläche zu absorbieren. Das kann sich bei fettiger oder zu Unreinheiten neigender Haut toll anfühlen und das Hautbild kurzfristig mattieren.
Für trockene oder normale Hauttypen sind diese Masken jedoch oft zu austrocknend und damit überflüssig. Sie gehören definitiv zu den Pflegeprodukten, die du nicht brauchst, wenn du keine sehr ölige Haut hast. Wenn du dir eine Maske gönnen möchtest, wähle lieber eine, die Feuchtigkeit spendet oder beruhigende Inhaltsstoffe enthält. Eine Maske ist ein Ritual, keine Notwendigkeit, und sollte auf den aktuellen Zustand deiner Haut abgestimmt sein.
Rituale sind erlaubt
Bei all der Reduktion geht es nicht darum, sich jegliche Freude im Bad zu verbieten. Wenn dir eine bestimmte Maske oder ein duftendes Öl einfach ein gutes Gefühl gibt und du es als kleines Wellness-Ritual genießt, dann ist das wunderbar. Bewusster Konsum bedeutet auch, zu erkennen, was uns guttut – jenseits von reinen Wirkversprechen.
Spezielle Hals- und Dekolleté-Cremes
Dieser Punkt ist schnell abgehakt: Cremes, die speziell für den Hals oder das Dekolleté beworben werden, sind eine der cleversten Erfindungen der Marketingabteilungen. Die Haut dort mag zwar etwas anders sein als im Gesicht, aber sie profitiert von den exakt gleichen Dingen: Feuchtigkeit, Antioxidantien und vor allem Sonnenschutz. Du brauchst keine separate Creme. Die einfache Lösung: Nimm deine Gesichtscreme und den Sonnenschutz und verteile beides großzügig auch auf Hals und Dekolleté. Das ist alles, was diese Bereiche benötigen.
Der Weg zur einfachen Routine: So findest du deine Basis
Na ja, nun stellt sich zwangsläufig natürlich die Frage: Was bleibt eigentlich übrig? Eine gute, minimalistische Pflegeroutine lässt sich meist auf drei grundlegende Schritte reduzieren, die morgens und abends leicht variiert werden. Das ist die absolute Grundlage, die für fast jeden Hauttyp funktioniert:
- Schritt 1: Sanfte Reinigung. Wähle ein mildes, sulfatfreies Produkt, das deine Haut reinigt, ohne sie auszutrocknen oder zu spannen. Ob Gel, Milch oder Öl, hängt von deiner Vorliebe und deinem Hauttyp ab.
- Schritt 2: Gezielte Pflege (Serum). Hier kommen die Wirkstoffe ins Spiel. Ein Serum mit Antioxidantien wie Vitamin C am Morgen schützt vor Umwelteinflüssen. Abends kann ein Produkt mit Retinol (nach Gewöhnung), Niacinamid oder Hyaluronsäure die Haut bei der Regeneration unterstützen.
- Schritt 3: Feuchtigkeit und Schutz. Morgens ist ein Breitband-Sonnenschutz mit mindestens LSF 30 der wichtigste Schritt von allen. Er ist die beste Anti-Aging-Pflege überhaupt und nicht verhandelbar. Abends schließt eine einfache Feuchtigkeitscreme die Routine ab und stärkt die Hautbarriere über Nacht.
Mehr braucht es für eine solide Basis nicht. Alles andere sind Ergänzungen, die du je nach Bedarf und Lust einsetzen kannst, aber nicht musst. Diese drei Schritte bilden ein stabiles Fundament für gesunde Haut.
Zuletzt aktualisiert am 14. Juli 2025 um 10:24 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.Mehr als nur ein leerer Schrank: Die psychologischen Gewinne
Sich von überflüssigen Produkten zu trennen, hat Effekte, die weit über die Hautpflege hinausgehen. Es ist eine bewusste Entscheidung gegen den Konsumdruck und für mehr Selbstbestimmtheit. Die Ironie dabei ist, dass selbst der Minimalismus inzwischen vermarktet wird – mit speziellen „minimalistischen“ Produkten.[3] Doch der wahre Gewinn liegt nicht im Kauf neuer Dinge, sondern im Loslassen der alten. Es entsteht mentaler Freiraum.
Die Forschung legt nahe, dass unser Glaube an unsere eigenen Grenzen unsere Leistungsfähigkeit beeinflusst. Wer davon überzeugt ist, dass seine Willenskraft ein schnell erschöpfter Akku ist, wird auch eher aufgeben. Wenn wir unsere Willenskraft stattdessen als einen Muskel betrachten, der durch Herausforderungen wächst, können wir Versuchungen besser widerstehen[1] – sei es die Tafel Schokolade oder das zwanzigste Serum im Warenkorb. Eine einfache Routine stärkt dieses Gefühl der Kontrolle und Selbstwirksamkeit. Man entscheidet aktiv, was man an seine Haut lässt, anstatt passiv auf Werbeversprechen zu reagieren.
Hör auf deine Haut, nicht auf den Trend
Deine Haut verändert sich mit den Jahreszeiten, dem Zyklus oder durch Stress. Eine minimalistische Routine ist nicht starr. Lerne, die Signale deiner Haut zu deuten. Braucht sie heute mehr Feuchtigkeit? Ist sie gereizt und benötigt eine Pause von aktiven Wirkstoffen? Flexibilität ist der Schlüssel.
Es geht nicht um Perfektion
Am Ende dieses Ausmist-Prozesses steht hoffentlich nicht das Gefühl des Mangels, sondern das der Befreiung. Es geht nicht darum, dogmatisch auf alles zu verzichten, was Freude macht. Es geht darum, bewusste Entscheidungen zu treffen. Die Erkenntnis, welche Pflegeprodukte du nicht brauchst, ist ein persönlicher Prozess. Was für den einen überflüssig ist, mag für den anderen ein liebgewonnenes Ritual sein.
Die ideale Pflegeroutine ist die, die du gerne und regelmäßig anwendest, die deine Haut gesund hält und dich nicht stresst. Meistens ist sie viel einfacher, als die Werbung uns glauben machen will. Vielleicht sind es am Ende nur drei oder vier Produkte, die deinen Badezimmerschrank zieren. Aber diese sind dann mit Bedacht gewählt – und das ist ein viel größeres Luxusgut als ein überquellendes Regal.
Quellen
- Is Decision Fatigue Real? (abgerufen am 14.07.2025)
- Goodbye materialism: exploring antecedents of minimalism and its impact on millennials well-being (abgerufen am 14.07.2025)
- Minimalismus: Besser statt mehr (abgerufen am 14.07.2025)
FAQs zum Thema Pflegeprodukte die du nicht brauchst
Brauche ich zusätzlich zu meiner Feuchtigkeitscreme noch ein Gesichtsöl?
In den meisten Fällen ist ein Gesichtsöl überflüssig, wenn du bereits eine gute Feuchtigkeitscreme verwendest. Eine Creme versorgt deine Haut mit Feuchtigkeit (Wasser) und Fetten, während ein Öl nur eine Fettschicht bildet. Es schließt zwar Feuchtigkeit ein, spendet aber selbst keine. Für die meisten Hauttypen reicht eine gute Creme völlig aus. Nur bei sehr trockener Haut kann es sinnvoll sein, wenige Tropfen Öl über der Creme aufzutragen, um die Pflegewirkung zu verstärken.
Sind Tuchmasken besser als ein gutes Serum?
Nicht unbedingt. Eine Tuchmaske ist im Grunde ein mit Serum getränktes Vlies. Durch die Abdeckung der Maske können die Wirkstoffe zwar kurzfristig intensiver in die Haut einziehen, der Effekt ist aber meist temporär. Ein Serum, das du täglich anwendest, erzielt langfristig oft bessere Ergebnisse für deine Haut. Sieh eine Tuchmaske also eher als einen kleinen Wellness-Moment oder einen schnellen Feuchtigkeits-Boost vor einem besonderen Anlass, aber nicht als Ersatz für deine tägliche, gezielte Pflege.
Lohnt sich eine spezielle Nachtmaske für die Lippen?
Meistens nicht, denn eine spezielle Lippenmaske ist oft nur eine teurere und parfümierte Variante eines sehr reichhaltigen Lippenbalsams. Du erzielst einen ganz ähnlichen Effekt, wenn du abends einfach eine dicke Schicht deiner Lieblings-Lippenpflege oder sogar eine einfache Heilsalbe aufträgst. Das schützt die empfindliche Haut über Nacht vor dem Austrocknen und macht sie geschmeidig. Eine spezielle Maske ist also eher ein schöner Luxus als eine Notwendigkeit.