Ernährung

Warum brennt es zwei Mal, wenn man scharf isst?

Der Genuss von scharfem Essen hat seine Tücken. Das erste Feuer im Mund ist oft gewollt, ein kulinarischer Kick. Doch die Frage, warum es zwei Mal brennt, stellt sich meist erst am nächsten Morgen – und das meistens nicht aus reiner Neugier, sondern aus einem drängenden Bedürfnis heraus. Wir gehen der Sache auf den Grund, ganz ohne beschönigende Worte.

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Disclaimer

Dieser Text dient der allgemeinen Information und ersetzt keine medizinische Beratung. Bei anhaltenden oder starken Beschwerden, insbesondere im Verdauungstrakt, solltest du immer einen Arzt aufsuchen.

Die erste Flamme: Was scharfes Essen im Mund entfacht

Die Erinnerung an das letzte wirklich scharfe Curry oder die extra Portion Jalapeños ist noch frisch. Dieses intensive, fast schmerzhafte Gefühl auf der Zunge. Es ist ein Phänomen, das viele gezielt suchen. Doch was passiert da genau? Verantwortlich dafür ist ein Stoff namens Capsaicin. Er ist der aktive Scharfmacher in Chilis und Paprikagewächsen.[1] Das Besondere daran: Schärfe ist keine Geschmacksrichtung wie süß oder salzig. Unser Körper interpretiert sie als Schmerz. Das Capsaicin dockt an spezielle Rezeptoren in unserer Mundschleimhaut an, die sogenannten TRPV1-Rezeptoren. Diese sind eigentlich dafür da, uns vor Hitze und Verbrennungen zu warnen.[2]

Das Capsaicin-Molekül trickst diese Nervenenden quasi aus und meldet dem Gehirn: „Alarm, hier ist es extrem heiß!“ Darauf reagiert der Körper prompt: Die Durchblutung wird angekurbelt, der Kopf wird rot, Schweiß bricht aus. Das ist eine ganz normale Reaktion, um die vermeintliche Hitze abzukühlen.[3] Manche Menschen erleben dabei sogar einen leichten Rausch, ein „Pepper-High“, weil der Körper als Antwort auf den Schmerzreiz Endorphine, also Glückshormone, ausschüttet. Das erste Brennen ist also eine gut erforschte, direkte Reaktion auf einen chemischen Reiz. Aber damit ist die Reise des Capsaicins noch lange nicht vorbei.

Die lange Reise durch den Körper

Nachdem das Capsaicin im Mund für Aufruhr gesorgt hat, schlucken wir es hinunter. Man könnte meinen, im Magen würde die Magensäure dem scharfen Stoff den Garaus machen. Doch das ist ein Trugschluss. Capsaicin ist bemerkenswert stabil und wird von unseren Verdauungsenzymen kaum aufgespalten. Es ist außerdem fettlöslich, nicht wasserlöslich. Das ist auch der Grund, warum Wasser bei einem brennenden Mund kaum hilft – es verteilt die Schärfe nur weiter. Fettige Speisen oder Milchprodukte können die Schärfe im Mund binden und lindern.[1]

Das Capsaicin reist also relativ unbeschadet durch den Magen und den Dünndarm. Ein Teil davon wird über die Darmwand ins Blut aufgenommen, aber ein signifikanter Rest setzt seine Reise fort. Er passiert den gesamten Verdauungstrakt, eine Strecke von mehreren Metern. Auf diesem Weg verändert er sich kaum. Er bleibt der potente Reizstoff, der er schon im Mund war. Und genau das wird am Ende dieser Reise zum entscheidenden Punkt.

Warum brennt es zwei Mal: Die Ankunft am Ziel

Hier schließt sich der Kreis. Das große Finale des Verdauungsprozesses steht an, und mit ihm die Antwort auf die Frage, warum es zwei Mal brennt. Die Nervenenden, die am Ende unseres Darms, im Analbereich, sitzen, sind mit denselben TRPV1-Rezeptoren ausgestattet, die auch schon im Mund auf das Capsaicin reagiert haben. Sie sind ebenfalls dafür zuständig, Hitze und Schmerz zu signalisieren. Wenn nun die Überreste des scharfen Essens, angereichert mit dem immer noch aktiven Capsaicin, diesen Bereich passieren, geschieht exakt das Gleiche wie Stunden zuvor im Mund: Die Rezeptoren werden gereizt und senden ein Schmerzsignal an das Gehirn. Das Resultat ist dieses unangenehme, brennende Gefühl, das viele als „zweites Brennen“ kennen.

Es ist also keine Einbildung und auch kein Zeichen für eine Unverträglichkeit im klassischen Sinne. Es ist eine rein chemisch-physiologische Reaktion. Der Körper reagiert am Ende des Verdauungstrakts genauso logisch auf den Reizstoff wie am Anfang. Die Intensität dieser zweiten Runde hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der Menge des gegessenen Capsaicins, von der individuellen Empfindlichkeit der Rezeptoren und davon, wie viel von dem Stoff unverdaut am Ziel ankommt.

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Kein Grund zur Beunruhigung

Auch wenn es unangenehm ist: Das zweite Brennen ist in der Regel harmlos und verschwindet von allein. Es ist eine direkte Reaktion auf das Capsaicin und bedeutet nicht zwangsläufig, dass etwas mit deiner Verdauung nicht stimmt. Es zeigt nur, dass deine Schmerzrezeptoren einwandfrei funktionieren – sowohl vorne als auch hinten.

Strategien zur Schadensbegrenzung: Was wirklich hilft

Man kann dem doppelten Feuer nicht immer entgehen, aber man kann versuchen, die Auswirkungen zu mildern. Dabei geht es weniger um Wundermittel als um ein paar durchdachte Vorbereitungen und clevere Reaktionen. Vergiss die üblichen Ratschläge, die nur für den Mund gelten. Für das andere Ende brauchen wir eine andere Herangehensweise.

Vor dem scharfen Genuss: Die Weichen richtig stellen

Prävention ist hier die beste Methode. Du kannst schon während des Essens dafür sorgen, dass die Reise des Capsaicins etwas sanfter verläuft. Der Schlüssel liegt darin, den scharfen Stoff zu „verpacken“ und zu verdünnen, bevor er am Ende ankommt. Hier sind ein paar Ansätze, die sich in der Praxis bewährt haben:

  • Iss zu deiner scharfen Mahlzeit reichlich Ballaststoffe. Vollkornbrot, Reis, Bohnen oder eine große Portion Gemüse können helfen, das Capsaicin im Nahrungsbrei zu binden. Die Fasern wirken wie ein Schwamm und reduzieren die Konzentration des Reizstoffs, der letztendlich die empfindlichen Schleimhäute am Darmausgang erreicht.
  • Eine fettreiche Beilage kann ebenfalls nützlich sein. Da Capsaicin fettlöslich ist, wird es in Lebensmitteln wie Avocado, Käse oder einem cremigen Dip gebunden. Das hilft nicht nur im Mund, sondern sorgt auch dafür, dass das Capsaicin verdünnter und weniger aggressiv durch den restlichen Verdauungstrakt wandert.
  • Vermeide es, extrem scharfe Speisen auf leeren Magen zu essen. Eine gute Grundlage sorgt dafür, dass sich das Capsaicin mit mehr Nahrung vermischt und die Konzentration von vornherein geringer ist.
  • Gewöhne deinen Körper langsam an Schärfe. Wer regelmäßig scharf isst, entwickelt eine gewisse Toleranz. Die Rezeptoren werden mit der Zeit weniger empfindlich auf den Reiz reagieren. Das gilt für den Mund genauso wie für das andere Ende.

Der Tag danach: Erste Hilfe für den brennenden Notfall

Manchmal ist es zu spät für Prävention und das Unheil nimmt seinen Lauf. Das Brennen ist da und es ist quälend. Wasser trinken bringt jetzt nichts mehr. Aber es gibt ein paar Dinge, die Linderung verschaffen können, wenn das zweite Feuer bereits wütet. Hier geht es vor allem um äußere Beruhigung.

Eine sehr effektive Methode ist die sanfte Reinigung. Statt mit trockenem Toilettenpapier zu reiben, was die gereizte Haut zusätzlich strapaziert, ist die Verwendung von feuchten Tüchern (ohne Alkohol oder Parfüm) oder noch besser, das Abspülen mit lauwarmem Wasser eine Wohltat. Eine Podusche oder ein Bidet sind hier ideal. Die Feuchtigkeit kühlt und entfernt die reizenden Rückstände schonend.

Nach der Reinigung kann eine beruhigende Barrierecreme helfen. Eine einfache Zinksalbe oder eine Wund- und Heilsalbe aus der Apotheke bildet einen Schutzfilm auf der Haut und lindert das Brennen. Suche nach Produkten mit Inhaltsstoffen wie Panthenol oder Kamille. Ein kalter Waschlappen oder ein in ein Tuch gewickeltes Kühlpad, für ein paar Minuten auf die betroffene Stelle gelegt, kann ebenfalls die akute Reizung dämpfen.

Zuletzt aktualisiert am 11. August 2025 um 12:54 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.

Mythen und Fakten rund ums doppelte Brennen

Um das Thema ranken sich einige hartnäckige Gerüchte. Zeit, mit ein paar davon aufzuräumen und Klarheit zu schaffen. Denn wer die Zusammenhänge kennt, kann besser für sich sorgen und das nächste scharfe Essen vielleicht etwas entspannter genießen.

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass das zweite Brennen ein Zeichen für eine schlechte Verdauung sei. Das stimmt so nicht. Es ist, wie bereits beschrieben, eine normale physiologische Reaktion. Menschen, die es stärker spüren, haben möglicherweise einfach empfindlichere Rezeptoren oder haben eine Mahlzeit gegessen, bei der das Capsaicin besonders „pur“ durch den Verdauungstrakt gewandert ist. Es hat nichts damit zu tun, dass der Magen oder Darm „versagt“ hätte. Es zeigt lediglich, dass Capsaicin ein widerstandsfähiger Stoff ist.

Hier eine kleine Gegenüberstellung, was wirklich dran ist an den gängigen Annahmen:

Mythos Faktencheck
„Viel Wasser trinken hilft auch beim zweiten Mal.“ Leider nein. Das Capsaicin ist bereits im Stuhl gebunden. Wasser trinken hat darauf keinen Einfluss mehr. Es hilft nur, den Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen auszugleichen.
„Nur sehr scharfe Chilis verursachen das Problem.“ Nicht unbedingt. Auch moderate Schärfe kann bei empfindlichen Personen ausreichen. Die Gesamtmenge an Capsaicin ist entscheidend, nicht nur die Scoville-Zahl einer einzelnen Chili.
„Das Brennen schädigt den Darm.“ Bei normalem Konsum gibt es dafür keine Hinweise. Die Reizung ist vorübergehend. Dauerhaft extrem hoher Konsum könnte die Schleimhäute strapazieren, aber das gilt für viele extreme Ernährungsweisen.
„Milch trinken am nächsten Tag hilft noch.“ Nein, die Milch erreicht das Problemgebiet nicht mehr in der Form, in der sie helfen könnte. Das Fett in der Milch wirkt im Mund und Magen, aber nicht am Ende des Darms.
„Mit der Zeit gewöhnt man sich dran.“ Das stimmt. Regelmäßiger, aber maßvoller Konsum kann die Empfindlichkeit der TRPV1-Rezeptoren herabsetzen. Der Körper passt sich an den wiederkehrenden Reiz an.
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Wann du vorsichtig sein solltest

Wenn du neben dem Brennen auch andere Symptome wie starke Bauchkrämpfe, Durchfall, Blut im Stuhl oder langanhaltende Schmerzen bemerkst, solltest du das ärztlich abklären lassen. Dies könnte auf eine zugrundeliegende Erkrankung wie Hämorrhoiden, Analfissuren oder ein Reizdarmsyndrom hindeuten, die durch die Schärfe lediglich verstärkt wird.

Eine Frage der Balance und des bewussten Genusses

Am Ende ist der Umgang mit scharfem Essen eine sehr persönliche Sache. Die Frage, warum es zwei Mal brennt, ist nun geklärt. Es ist eine direkte, ehrliche und ziemlich logische Antwort unseres Körpers auf einen potenten Reizstoff. Anstatt sich darüber zu ärgern, kann man es auch als eine interessante Lektion in Sachen Körperfunktion sehen. Es ist ein direkter Beweis dafür, wie unser Nervensystem funktioniert und dass es an unterschiedlichen Stellen unseres Körpers erstaunlich ähnliche Mechanismen gibt.

Der bewusste Umgang damit bedeutet nicht, für immer auf scharfes Essen zu verzichten. Es bedeutet, die eigene Toleranzgrenze zu kennen und vielleicht beim nächsten Mal die Beilagen etwas strategischer zu wählen. Ein Löffel Joghurt zum indischen Curry oder eine Portion Guacamole zu den Nachos sind nicht nur lecker, sondern auch eine kluge Präventivmaßnahme. So lässt sich das erste Feuer genießen, ohne das zweite fürchten zu müssen. Und falls es doch mal passiert, weißt du jetzt, was zu tun ist – und vor allem, dass du damit nicht allein bist.

Quellen

  1. Chili-Forschung: Wenn es im Mund brennt (abgerufen am 11.08.2025)
  2. Ernährung: Warum „brennt“ scharfes Essen? (abgerufen am 11.08.2025)
  3. Warum führt scharfes Essen zu Schweißausbrüchen? (abgerufen am 11.08.2025)

FAQs zum Thema Warum brennt es zwei Mal

Gilt das „zweimal Brennen“ auch für andere scharfe Lebensmittel wie Senf oder Ingwer?

Nein, dieses Phänomen ist typisch für Capsaicin, den Scharfstoff aus Chilis. Die Schärfe von Senf, Meerrettich oder Wasabi kommt von Senfölen (Isothiocyanaten), während bei Ingwer Gingerole für die Schärfe sorgen. Diese Stoffe sind chemisch anders aufgebaut und weniger stabil als Capsaicin. Sie werden auf dem Weg durch deinen Verdauungstrakt größtenteils abgebaut und kommen daher am Ende nicht mehr in einer Konzentration an, die ein zweites Brennen auslösen könnte.

Kann man im Mund eine hohe Schärfe-Toleranz haben, aber am Ende trotzdem stark leiden?

Ja, das ist absolut möglich. Die Toleranz deiner Schmerzrezeptoren (TRPV1) kann an verschiedenen Stellen des Körpers unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Du kannst deine Mundschleimhaut über die Zeit an hohe Dosen Capsaicin gewöhnt haben, während die Rezeptoren am Darmausgang seltener mit dem Reizstoff in Kontakt kommen und deshalb viel empfindlicher bleiben. Die Toleranz im Mund schützt dich also nicht automatisch vor dem zweiten Brennen.

Wie lange dauert das zweite Brennen normalerweise an?

Das ist sehr individuell und hängt von der gegessenen Menge Capsaicin ab. Das stärkste Brennen tritt meist direkt während und kurz nach dem Stuhlgang auf. Normalerweise sollte die Reizung aber innerhalb von 30 bis 60 Minuten deutlich nachlassen und von selbst verschwinden, sobald kein direkter Kontakt mehr mit den reizenden Stoffen besteht. Äußere Kühlung oder die Anwendung einer beruhigenden Salbe können diesen Prozess beschleunigen.

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