Die Idee, ein Aquarium komplett ohne technische Filterung zu betreiben, schwirrte schon länger in meinem Kopf herum. Es ist ja nicht so, dass ich Technikfeind wäre, ganz im Gegenteil. Mein Keller quillt über vor Kabeln und ausrangierten Gadgets, die irgendwann mal „das Neueste“ waren. Aber die Vorstellung eines nahezu autarken kleinen Ökosystems im Wohnzimmer, das hat schon was. Dieses Projekt, ein Aquarium ohne Filter betreiben zu wollen, wurde dann zu einer Art persönlichem Experiment, bei dem ich viel gelernt habe – auch über meine eigene Ungeduld.
Der leise Ruf der Natur im Glas
Es begann, wie so oft bei mir, mit einer Idee beim Sonntagskaffee, während die Kinder mit Bausteinen eine wackelige Turmlandschaft errichteten. Mein Blick fiel auf das große Gesellschaftsbecken, das munter vor sich hin blubberte, der Außenfilter surrte leise vor sich hin – eigentlich alles prima. Aber dann dachte ich: Geht das nicht auch… anders? Stiller? Ursprünglicher? Der Gedanke an ein Aquarium, das seine Reinigungskraft allein aus Pflanzen und biologischen Prozessen zieht, ließ mich nicht mehr los. Weniger Technik, mehr Natur. Klingt erstmal simpel, ist es aber nicht unbedingt. Die Herausforderung, ein Aquarium ohne Filter betreiben zu können, ist eine, die Geduld und ein gewisses Grundwissen erfordert. Und, wie ich feststellen durfte, auch eine gewisse Frustrationstoleranz am Anfang.
Ich bin ja durchaus ein Freund von technischer Unterstützung, gerade wenn es um komplexe Systeme geht. Meine Smarthome-Steuerung ist da ein gutes Beispiel, die ist mittlerweile ziemlich ausgefeilt. Aber hier reizte mich das Gegenteil: das Vertrauen in natürliche Abläufe. Es ist ein bisschen wie beim Zelten mit minimaler Ausrüstung im Gegensatz zum voll ausgestatteten Wohnmobil – man besinnt sich auf das Wesentliche. Und das Wesentliche in einem Aquarium sind nun mal Wasser, Licht, Pflanzen und die darin lebenden Tiere. Der Filter ist, wenn man es genau nimmt, eine technische Krücke, eine Art Dialysegerät, das wir erfunden haben, um Fehler im System oder eine zu hohe Besatzdichte auszugleichen. Ihn wegzulassen, bedeutet, das System selbst muss robuster und ausbalancierter sein.
Was genau ist ein filterloses Aquarium?
Ein Aquarium ohne Filter zu betreiben, bedeutet im Kern, dass man auf den klassischen Innen- oder Außenfilter verzichtet, der das Wasser mechanisch von Schwebstoffen reinigt und eine große Oberfläche für nützliche Bakterien bietet. Stattdessen übernehmen andere Elemente im Becken diese Aufgaben. Das Herzstück ist ein üppiger Pflanzenwuchs, unterstützt durch einen speziellen Bodengrundaufbau. Diese Pflanzen sind nicht nur Dekoration, sondern aktive Mitspieler im Ökosystem. Sie produzieren tagsüber Sauerstoff, verbrauchen Nährstoffe wie Nitrat und Phosphat, die sonst Algen fördern würden, und bieten unzähligen Mikroorganismen Siedlungsfläche. Manchmal sitze ich einfach nur davor und beobachte, wie kleine Luftbläschen von den Blättern aufsteigen – das ist sichtbare Photosynthese.
Der berühmte Stickstoffkreislauf, den jeder Aquarianer kennt (oder kennen sollte!), läuft hier natürlich auch ab. Ausscheidungen der Fische und Futterreste werden von Bakterien zu Ammonium/Ammoniak (NH3/NH4+) umgewandelt. Weitere Bakterien machen daraus Nitrit (NO2-), das für Fische giftig ist, und schließlich entsteht das deutlich weniger schädliche Nitrat (NO3-). In einem stark bepflanzten Becken nehmen die Pflanzen einen Großteil des Nitrats als Dünger auf und schließen so den Kreislauf. Der Bodengrund selbst, oft mit einer nährstoffreichen Schicht unter Kies oder Sand, wird zu einem riesigen biologischen Filter. Man schafft also Bedingungen, unter denen das Becken sich weitgehend selbst reguliert. Das ist ein großer Unterschied zu herkömmlichen Aquarien, wo der Filter die Hauptlast der biologischen Reinigung trägt und oft auch für die nötige Wasserbewegung sorgt.
Es gibt da draußen verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel die Walstad-Methode, benannt nach Diana Walstad, die mit ihrem Buch „Ecology of the Planted Aquarium“ viele inspiriert hat. Im Grunde geht es immer darum, ein möglichst stabiles, sich selbst erhaltendes kleines Ökosystem zu schaffen.
Die Grundpfeiler für ein stabiles Becken ohne Technik
Wer sich an ein Aquarium ohne Filter wagt, muss ein paar grundlegende Dinge anders angehen als gewohnt. Es ist keine Zauberei, sondern angewandte Biologie, ein bisschen wie ein Gärtner, der seinen Kompost hegt und pflegt.
Der Bodengrund: Die heimliche Schaltzentrale
Der Bodengrund ist in einem solchen Setup weit mehr als nur Dekoration oder Halterung für Pflanzenwurzeln. Er ist ein aktiver Teil des biologischen Systems, quasi die Leber und Niere des Aquariums. Viele, die ein Aquarium ohne Filter betreiben, schwören auf einen mehrschichtigen Aufbau. Ganz unten kommt oft eine nährstoffreiche Schicht, zum Beispiel spezielle Aquarienerde oder mineralhaltige Substrate wie Laterit. Diese Schicht dient als Langzeitdünger für die Pflanzen und fördert ein gesundes Wurzelwachstum. Darüber kommt dann eine Deckschicht aus Kies (Körnung etwa 1-3 mm) oder Sand, die verhindert, dass die Nährstoffe unkontrolliert ins Wasser gelangen und die den Bakterien Siedlungsfläche bietet. Die Dicke dieser Schichten ist auch nicht unwichtig; insgesamt sollten es schon so 5-8 cm sein, damit sich ordentlich was ansiedeln kann.
Ich habe bei meinem ersten Versuch, wie schon angedeutet, ungedüngte Gartenerde (vorher gesiebt und im Ofen sterilisiert, um unerwünschte Keime und Samen abzutöten – ein Tipp aus einem alten Forum) unter einer Kiesschicht verwendet. Das war ein ziemliches Gefummel. Das hat anfangs gut funktioniert, aber man muss sehr vorsichtig sein, dass beim Pflanzen oder Umdekorieren keine Erde aufgewühlt wird, sonst gibt’s eine trübe Brühe und möglicherweise einen Nährstoffschub, der Algen freut. Später bin ich dann doch auf spezielle Aquarienerde umgestiegen, die für diesen Zweck konzipiert ist. Das ist etwas berechenbarer und oft schon mit nützlichen Mikroorganismen angeimpft. Wichtig ist die Körnung des Deckmaterials: Nicht zu fein, damit noch etwas Wasserzirkulation im Boden stattfinden kann (anaerobe, also sauerstofffreie Zonen, sind zwar in Maßen erwünscht für den Abbau von Nitrat zu gasförmigem Stickstoff, aber zu viel davon kann zu Fäulnis führen), aber auch nicht zu grob, damit keine Futterreste tief einsickern.
Pflanzen: Die grünen Arbeitstiere und Sauerstofflieferanten
Ohne eine massive Pflanzenmasse geht es nicht. Und hier meine ich wirklich massiv, fast schon einen Urwald im Kleinformat. Mindestens 70-80% der Bodenfläche sollten bepflanzt sein, und zwar von Anfang an mit einer guten Mischung aus schnell- und langsamwachsenden Arten. Schnellwachsende Stängelpflanzen wie Hornkraut (Ceratophyllum demersum), Wasserpest (Egeria densa), Nixkraut (Najas guadalupensis) oder Indischer Wasserfreund (Hygrophila polysperma) sind da gute Kandidaten für den Start. Sie ziehen viele Nährstoffe aus dem Wasser und geben ordentlich Sauerstoff ab. Auch Schwimmpflanzen wie Froschbiss (Limnobium laevigatum) oder Muschelblumen (Pistia stratiotes) sind Gold wert. Sie beschatten das Becken etwas, was Algenwachstum dämpfen kann, und ihre Wurzeln hängen direkt im Wasser, wo sie Nährstoffe aufnehmen.
Ich erinnere mich, wie ich anfangs zu zögerlich war mit der Bepflanzung. Ich wollte ja auch noch Fische sehen und hatte Angst, dass es zu unübersichtlich wird. Ein Fehler. Die ersten Wochen hatte ich prompt mit Fadenalgen und einer leichten Kahmhaut zu kämpfen. Erst als ich das Becken richtiggehend zugewuchert habe, kam Stabilität rein. Man muss sich von der Vorstellung eines klinisch sauberen, spärlich bepflanzten Aquariums verabschieden. Ein filterloses Becken ist ein kleiner Dschungel. Das ist aber auch gerade das Schöne daran, es wirkt viel natürlicher. Und keine Sorge: Die Fische finden ihre Nischen und Verstecke, was ihrem Wohlbefinden oft zuträglicher ist als eine freie Schwimmfläche.
Hier eine kleine Auswahl an Pflanzen, die sich bei mir bewährt haben:
- Für den Hintergrund und schnelles Wachstum: Vallisnerien (verschiedene Arten), Wasserpest, Hornkraut (kann auch frei schwimmen).
- Für den Mittelgrund: Cryptocorynen (Wasserkelche, sehr robust, wenn sie mal etabliert sind), Javafarn (Microsorum pteropus, wächst auf Wurzeln oder Steinen), Anubias-Arten (ebenfalls Aufsitzerpflanzen).
- Für den Vordergrund oder als Bodendecker (etwas anspruchsvoller): Kubanisches Perlkraut (Hemianthus callitrichoides ‚Cuba‘, braucht viel Licht), Zwergnadelsimse (Eleocharis parvula).
- Schwimmpflanzen: Froschbiss, Muschelblumen, Büschelfarn (Salvinia). Diese sind echte Nährstoffkiller.
Licht: Energie für das System, aber mit Bedacht
Pflanzen brauchen Licht zum Wachsen, das ist klar. Aber zu viel Licht, besonders in der Einfahrphase, kann Algenprobleme fördern, wenn die Pflanzen noch nicht richtig etabliert sind und die Nährstoffe nicht schnell genug verbrauchen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Eine moderate Beleuchtungsdauer von etwa 8-10 Stunden ist oft ein guter Ausgangspunkt. Die Lichtintensität sollte zu den gewählten Pflanzen passen. Viele schnellwachsende Pflanzen sind recht lichthungrig, aber Schwimmpflanzen können helfen, das Licht etwas zu dimmen und so Algen in Schach zu halten.
Ich nutze bei meinem filterlosen Becken eine einfache LED-Leuchte mit Zeitschaltuhr. Nichts Ausgefallenes. Es gibt da ja mittlerweile Lampen mit App-Steuerung und Sonnenaufgangssimulation – nett, aber für ein Low-Tech-Becken nicht zwingend. Wichtiger als teure Technik ist hier die Beobachtung: Wachsen die Pflanzen gut? Bilden sie Sauerstoffbläschen? Gibt es Anzeichen für Algen? Dann muss man die Beleuchtungsdauer oder -intensität anpassen. Es ist ein ständiges kleines Justieren, bis das Gleichgewicht gefunden ist. Eine Mittagspause bei der Beleuchtung (z.B. 4 Stunden Licht, 2-3 Stunden Pause, dann wieder 4-5 Stunden Licht) kann auch helfen, Algen auszubremsen, da viele Pflanzen sich schneller an solche Pausen anpassen als Algen.
Wasserwechsel: Die Dosis macht das Gift (oder den Dünger)
Das ist einer der Punkte, der viele überrascht, die mit der klassischen Aquaristik vertraut sind. In einem gut eingefahrenen, stark bepflanzten Aquarium ohne Filter sind oft weniger und kleinere Wasserwechsel nötig als in einem Becken mit starkem Filter und hohem Besatz. Die Pflanzen verbrauchen ja einen Großteil der anfallenden Nährstoffe direkt. Trotzdem würde ich nicht komplett darauf verzichten, zumindest nicht in den meisten Fällen. Ein kleiner wöchentlicher oder zweiwöchentlicher Wechsel von 10-20% hilft, verbrauchte Spurenelemente aufzufrischen (Leitungswasser enthält einiges davon) und beugt einer einseitigen Anreicherung unerwünschter Stoffe vor. Manchmal reicht es auch, nur verdunstetes Wasser mit Osmosewasser oder destilliertem Wasser aufzufüllen, um die Härte nicht ansteigen zu lassen.
Entscheidend ist auch hier die Beobachtung und das Testen der Wasserwerte, zumindest am Anfang. Nitrat (NO3-) sollte messbar sein (so um 5-15 mg/l ist oft ein guter Wert für Pflanzen), aber nicht ins Unermessliche steigen. Phosphat (PO4) ebenso. Wenn diese Werte plötzlich stark ansteigen oder dauerhaft hoch sind, ist das ein Zeichen, dass das System überlastet ist – vielleicht zu viele Fische, zu viel Futter oder zu wenig aktives Pflanzenwachstum. Dann muss man gegensteuern, eventuell auch mit einem größeren Wasserwechsel und einer Reduktion der Futtermenge.
Der Besatz: Geduld und Augenmaß sind entscheidend
Ein Aquarium ohne Filter ist kein Ort für einen dichten Fischbesatz oder große, stark fressende Arten wie manche Buntbarsche oder Goldfische. Die biologische Kapazität ist einfach begrenzt. Ideal sind kleine, friedliche Fische, die nicht viel Dreck machen, oder Wirbellose wie Garnelen und Schnecken. Posthornschnecken und Turmdeckelschnecken sind übrigens großartige Helfer: Sie fressen Futterreste, abgestorbene Pflanzenteile und die Turmdeckelschnecken (TDS) lockern den Bodengrund auf, was Fäulniszonen vorbeugt.
Ich habe in meinem aktuellen 54-Liter-Becken eine Gruppe Zwerggarnelen (Neocaridina davidi), ein paar Perlhuhnbärblinge (Danio margaritatus) und als „Resteverwerter“ einige Geweihschnecken (Clithon sp.). Die Garnelen sind unermüdlich am Putzen und die Perlhühner sind klein, relativ anspruchslos und zeigen in dem dichten Pflanzengewirr ein schönes, natürliches Verhalten. Wichtig ist, den Besatz sehr langsam zu erhöhen, damit sich das biologische System anpassen kann. Nicht gleich am ersten Tag eine ganze Schule Fische einsetzen. Das geht schief. Lieber alle paar Wochen nur wenige Tiere hinzufügen und beobachten, wie das System reagiert.
Geeignete Bewohner für ein filterloses Aquarium könnten sein:
- Kleine Schwarmfische: Zwergbärblinge (Boraras-Arten), Perlhuhnbärblinge, Moskitobärblinge, Zwergpanzerwelse (Corydoras pygmaeus, habrosus, hastatus).
- Aufwuchsfresser: Otocinclus-Welse (Ohrgitterharnischwelse), aber erst in gut eingefahrenen Becken mit ausreichend Aufwuchs.
- Wirbellose: Zwerggarnelen (Neocaridina, Caridina – letztere brauchen oft weicheres Wasser), Amanogarnelen (gut gegen Algen), diverse Schneckenarten (Posthorn-, Blasen-, Turmdeckel-, Geweih-, Rennschnecken).
- Labyrinthfische: Kleine Arten wie der Zwergfadenfisch (Trichogaster lalius) oder Honigguramis (Trichogaster chuna) können passen, da sie atmosphärischen Sauerstoff atmen können und ruhige Becken mögen.
Man sollte sich immer gut über die Ansprüche der gewünschten Tiere informieren und prüfen, ob sie zu den Bedingungen im filterlosen Becken passen. Weniger ist hier definitiv mehr.
Ein paar Worte zur Einfahrphase
Ein filterloses Aquarium braucht Zeit, um sich zu etablieren. Die sogenannte Einfahrphase, in der sich die notwendigen Bakterienkulturen im Bodengrund und auf den Pflanzen entwickeln, kann durchaus mehrere Wochen bis sogar einige Monate dauern. In dieser Zeit ist Geduld gefragt. Setze in den ersten 4-6 Wochen am besten gar keine Fische ein. Pflanzen und Schnecken können schon rein. Beobachte dein Becken gut, teste regelmäßig die Wasserwerte (besonders Nitrit!), und greife nur ein, wenn es wirklich nötig ist. Eine anfängliche leichte Algenphase ist normal und legt sich meist, wenn die Pflanzen richtig loslegen.
Meine Lernkurve: Nicht alles klappt auf Anhieb (und das ist auch gut so)
Ich will ehrlich sein: Mein erster Versuch, ein Aquarium ohne Filter zu betreiben, war nicht sofort ein voller Erfolg. Ich hatte die Bedeutung der Pflanzenmasse anfangs unterschätzt und war zu sparsam mit den schnellwachsenden Arten. Die Folge war eine nette kleine Algenblüte nach ein paar Wochen – erst Kieselalgen, dann Fadenalgen. Sah nicht schön aus und war ein klares Zeichen, dass das Gleichgewicht noch nicht stimmte. Ich habe dann radikal aufgestockt, fast jeden freien Zentimeter mit schnellwachsenden Pflanzen besetzt und die Beleuchtungsdauer temporär reduziert. Das hat geholfen.
Auch das Thema Fütterung musste ich neu lernen. In einem Becken ohne starken Filter bleiben Futterreste länger liegen und belasten das Wasser stärker als in einem System, wo der Filter sie schnell einsaugt. Also: Weniger füttern, dafür hochwertiger und gezielter. Die Fische sollen ja nicht platzen, und was nicht gefressen wird, wird zu Ammonium. Ein- bis zweimal die Woche ein Fastentag schadet den meisten Fischen auch nicht und entlastet das System. Man entwickelt mit der Zeit ein Gefühl dafür, wie viel Futter wirklich nötig ist. Es ist ein ständiges Beobachten und Anpassen, aber genau das macht für mich auch den Reiz aus. Man ist viel näher dran am Geschehen im Becken, wird zum Teil des kleinen Ökosystems.
Einmal habe ich auch den Fehler gemacht, zu viele alte Blätter auf einmal zu entfernen. Ich dachte, ich tue dem Becken was Gutes. Aber Mulm und sich zersetzendes organisches Material sind in Maßen auch eine Nahrungsquelle für Mikroorganismen und geben langsam Nährstoffe ab. Zu viel Sauberkeit kann hier kontraproduktiv sein. Ein bisschen „Dreck“ gehört dazu.
Für wen ist diese Art der Aquaristik etwas?
Ein Aquarium ohne Filter zu betreiben, ist sicher nicht für jeden Aquarianer die richtige Wahl. Wer ein perfekt sauberes Schaubecken mit vielen großen Fischen und minimalem Pflegeaufwand sucht, der wird damit vermutlich nicht glücklich. Es erfordert ein gewisses Interesse an den biologischen Vorgängen, die Bereitschaft, sich intensiv mit dem System auseinanderzusetzen, und vor allem Geduld. Man muss lernen, die Signale des Beckens zu deuten – warum wächst diese Alge, warum stagnieren jene Pflanzen?
Aber für Aquarianer, die ein Stück möglichst unverfälschte Natur im Wohnzimmer haben möchten, die Freude am Beobachten von langsamen, natürlichen Entwicklungen haben und die bereit sind, die Zügel ein wenig aus der Hand zu geben und der Natur zu vertrauen, für die kann ein filterloses Aquarium eine wunderbare Sache sein. Es ist eine sehr ruhige, fast meditative Form der Aquaristik. Und das leise Plätschern oder Brummen eines Filters vermisse ich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Die Stille hat ihren eigenen, unschätzbaren Charme. Es ist ein bisschen wie der Unterschied zwischen einem lauten Actionfilm und einer Naturdoku – beides hat seine Berechtigung, aber die Doku entschleunigt mehr.
Sauerstoff im Blick behalten
Tagsüber produzieren die Pflanzen durch Photosynthese viel Sauerstoff. Nachts jedoch kehrt sich der Prozess um: Pflanzen verbrauchen, genau wie die Fische und Bakterien, Sauerstoff. In einem sehr stark bepflanzten Becken mit geringer Oberflächenbewegung kann der Sauerstoffgehalt nachts kritisch werden, besonders bei hohen Temperaturen. Achte auf Anzeichen von Sauerstoffmangel bei den Fischen (z.B. Luftschnappen an der Oberfläche). Eine leichte Oberflächenbewegung, z.B. durch den Auslass eines kleinen Strömungspumpenkopfes (falls man nicht 100% technikfrei sein will) oder geschickte Platzierung von Hardscape, kann helfen. Oft reicht aber schon ein nicht zu hoher Wasserstand, sodass das zurücklaufende Wasser vom gelegentlichen Auffüllen eine leichte Bewegung erzeugt oder die Nutzung von Schwimmpflanzen, die die Oberfläche nicht komplett versiegeln.
Ist es den Aufwand wert?
Nachdem ich nun schon eine Weile mein kleines, filterloses Becken pflege – oder besser gesagt: beobachte und ab und zu gärtnerisch eingreife –, kann ich sagen: Ja, für mich hat es sich gelohnt. Es ist nicht unbedingt weniger Arbeit, zumindest nicht am Anfang und auch nicht, wenn man es perfekt machen will. Man muss genauer hinschauen, öfter mal Wasserwerte prüfen (zumindest bis man ein Gefühl dafür hat), bis alles stabil läuft. Aber die Art der „Arbeit“ ist eine andere. Es ist weniger technisches Hantieren und Reinigen von Filtern, mehr gärtnerische Pflege, Beobachten und biologisches Verständnis.
Das Ergebnis ist ein kleines Biotop, das eine ganz eigene Ästhetik entwickelt. Es sieht vielleicht nicht immer so aufgeräumt aus wie ein High-Tech-Aquascape mit exakt getrimmten Pflanzen, aber es lebt. Die Pflanzen wuchern, die Garnelen wuseln durchs Dickicht, die Fische zeigen ihr natürliches Verhalten. Und das Schönste: Es herrscht eine wunderbare Ruhe. Kein Brummen, kein Surren. Nur das leise Rascheln der Pflanzen, wenn eine Schnecke darüber kriecht, oder das zarte Knistern der Garnelen. Für mich ist das ein echter Gewinn an Lebensqualität im Wohnzimmer. Ein Aquarium ohne Filter betreiben, das ist für mich eine Rückkehr zu den Wurzeln der Aquaristik, eine bewusste Entscheidung für mehr Natur und weniger Technik. Und ja, es ist ein bisschen nerdig, sich so intensiv mit dem Mikrokosmos im Glas zu beschäftigen, aber genau das macht doch den Reiz aus, oder? Es ist fast wie ein kleines Forschungsprojekt, das direkt vor einem auf dem Schreibtisch steht.
FAQs zum Thema Aquarium ohne Filter betreiben
Brauche ich in einem filterlosen Aquarium zwingend eine Heizung?
Ob du eine Heizung benötigst, hängt stark von deiner Raumtemperatur und den Bedürfnissen deiner gewünschten Bewohner ab. Viele beliebte Aquarienfische und Garnelen, wie beispielsweise Neocaridinas oder Perlhuhnbärblinge, kommen auch gut mit Zimmertemperaturen um 20-22°C zurecht, besonders wenn dein Raum konstant temperiert ist. Für empfindlichere Arten oder wenn deine Raumtemperatur stark schwankt oder im Winter deutlich unter 20°C fällt, kann ein kleiner Regelheizer jedoch sinnvoll sein, um Stress durch Temperaturschwankungen zu vermeiden. Ein filterloses System profitiert, genau wie jedes Aquarium, von stabilen Bedingungen, und eine konstante Temperatur gehört definitiv dazu. Beobachte also deine Raumtemperatur über verschiedene Jahreszeiten und informiere dich genau über die optimalen Temperaturbereiche deiner Pfleglinge, bevor du dich entscheidest.
Kann ich in einem filterlosen Aquarium auch CO2 zur Pflanzenförderung einsetzen?
Ja, grundsätzlich kannst du auch in einem filterlosen Aquarium eine CO2-Anlage zur Förderung des Pflanzenwachstums einsetzen, obwohl der „Low-Tech“-Ansatz oft ohne auskommt. Gerade wenn du anspruchsvollere, lichthungrige Pflanzen oder Bodendecker pflegen möchtest, kann eine zusätzliche CO2-Versorgung den entscheidenden Unterschied für ein kräftiges Wachstum und leuchtende Farben machen. Allerdings solltest du bedenken, dass mit erhöhtem CO2-Angebot und möglicherweise stärkerem Licht auch der Nährstoffbedarf der Pflanzen steigt, was eine angepasste Düngung mit Makro- und Mikronährstoffen erfordern kann. Wichtig ist hier, das Gleichgewicht zwischen Licht, CO2 und den übrigen Nährstoffen genau im Auge zu behalten, um Algenproblemen vorzubeugen. Ein CO2-Dauertest hilft dir dabei, die richtige Dosierung zu finden und sicherzustellen, dass der CO2-Gehalt für deine Fische und Garnelen unbedenklich bleibt.
Was mache ich, wenn ich für längere Zeit in den Urlaub fahre und niemanden für mein filterloses Becken habe?
Ein gut eingefahrenes, filterloses Aquarium ist erstaunlich stabil und kann oft problemlos ein oder zwei Wochen ohne deine direkte Pflege auskommen, vorausgesetzt, du triffst ein paar Vorbereitungen. Mache einige Tage vor deiner Abreise einen kleinen Wasserwechsel von etwa 10-20% und füttere deine Fische in den letzten Tagen etwas sparsamer als sonst; gesunde Fische überstehen eine Fastenzeit von einer Woche meist ohne Probleme. Sorge außerdem dafür, dass deine Beleuchtung über eine Zeitschaltuhr zuverlässig gesteuert wird, damit der Tag-Nacht-Rhythmus für die Pflanzen erhalten bleibt. Auf Futterautomaten oder Futterblöcke solltest du bei einem filterlosen System eher verzichten, da eine unkontrollierte Futterabgabe das empfindliche Gleichgewicht schnell stören kann. Wenn du jemanden hast, der nach dem Rechten sieht, gib klare, einfache Anweisungen, die sich auf das Nötigste beschränken, wie zum Beispiel nur verdunstetes Wasser mit aufbereitetem Wasser nachzufüllen, und betone, dass weniger oft mehr ist, besonders beim Füttern.
Wie gehe ich mit einer Kahmhaut um, die sich manchmal auf der Wasseroberfläche bildet?
Eine Kahmhaut, also ein sichtbarer, manchmal öliger oder staubiger Film auf der Wasseroberfläche, kann in filterlosen Aquarien aufgrund der geringeren Oberflächenbewegung durchaus mal auftreten. Sie besteht oft aus Bakterien, Hefen und anderen Mikroorganismen, die sich von organischen Stoffen im Wasser ernähren, und ist an sich meist harmlos, kann aber den Gasaustausch zwischen Wasser und Luft etwas behindern. Du kannst sie einfach und vorsichtig mit einem Stück Küchenpapier abnehmen, indem du es flach auf die Wasseroberfläche legst und dann langsam wieder abziehst, oder mit einem kleinen Becher beziehungsweise einer Tasse abschöpfen.
Um einer Neubildung vorzubeugen, kann es helfen, die Futtermenge temporär etwas zu reduzieren oder für eine minimale Oberflächenbewegung zu sorgen, beispielsweise indem du den Wasserstand leicht absenkst, damit das Wasser beim Nachfüllen oder bei einem kleinen Wasserwechsel etwas plätschert. Wenn die Kahmhaut sehr hartnäckig ist und immer wiederkommt, überprüfe auch, ob eventuell zu viele unentdeckte organische Abfälle wie Futterreste oder größere abgestorbene Pflanzenteile im Becken sind.