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Pareidolie: Warum dein Gehirn Gesichter in Steckdosen sieht

von Leni Wehner
7 min Lesedauer
Gelbes Cartoonauto von vorn, dessen Scheinwerfer und Kühlergrill wie ein lachendes Gesicht wirken

Du starrst in deinen morgendlichen Kaffee und plötzlich blickt dich ein grimmiges Gesicht aus dem Milchschaum an? Keine Sorge, du bist nicht verrückt. Das ist Pareidolie – die Superkraft deines Gehirns, überall Muster und vor allem Gesichter zu erkennen.

Der mürrische Paprika und die gut gelaunte Steckdose

Heute Morgen war es wieder so weit. Ich schneide eine Paprika für mein Rührei auf und was starrt mich an? Ein Gesicht. Komplett mit Augen, Nase und einem Mund, der aussah, als hätte er gerade die Steuererklärung machen müssen. Fünf Minuten später beim Zähneputzen zwinkert mir die Steckdose neben dem Spiegel zu. Zwei Löcher, ein Erdungsstift – fertig ist das freundliche Lächeln.

Dieses Phänomen, in alltäglichen Gegenständen und Strukturen vertraute Muster zu erkennen, hat einen Namen: Pareidolie. Und es passiert uns allen, ständig. Es ist keine Einbildung, sondern eine Art Autopilot unseres Gehirns, der versucht, die Welt um uns herum blitzschnell zu sortieren und einzuordnen. Das ist keine Störung, sondern im Grunde eine eingebaute Standardeinstellung unseres visuellen Systems. Dein Gehirn liebt es einfach, Ordnung ins Chaos zu bringen.

Auf einen Blick: Inhalt & TL;DR

Das Wichtigste in Kürze

  • Pareidolie: Fähigkeit des Gehirns, Muster und Gesichter in Objekten zu erkennen.
  • Evolutionärer Hintergrund: Rasches Erkennen von Gesichtern als Überlebensvorteil.
  • Gehirn als Effizienzmaschine: Mustererkennung erfolgt blitzschnell und automatisch.
  • Emotionale Wahrnehmung: Erfasste Gesichter werden oft mit Emotionen und Geschlecht verbunden.
  • Pareidolie im Alltag: Überall begegnen uns Gesichter in Autos, Gebäuden oder Essen.
  • Ein harmloses Phänomen: Pareidolie zeigt funktionierende Mustererkennung des Gehirns.

Was ist Pareidolie eigentlich – und warum passiert das?

Der Begriff klingt kompliziert, ist aber schnell erklärt. Er kommt aus dem Griechischen: „para“ bedeutet so viel wie „daneben“ und „eidolon“ steht für „Bild“ oder „Form“. Du siehst also ein Bild, das eigentlich gar nicht da ist – eine Art visuelles Trugbild, das dein Gehirn aus vagen Reizen zusammenbastelt. Es ist der Grund, warum wir Tiere in Wolkenformationen, Gesichter im Mond oder eben finstere Gestalten in der Maserung einer Holztür sehen.

Der eigentliche Grund dafür ist tief in unserer Evolution verankert. Für unsere Vorfahren war es überlebenswichtig, Gesichter schnell zu erkennen. Ein Rascheln im Gebüsch konnte einen Freund bedeuten – oder einen Feind. Das Gehirn hat sich darauf trainiert, schon bei minimalsten Anzeichen Alarm zu schlagen. Die Regel war simpel: Lieber einmal zu viel ein Gesicht sehen als einmal zu wenig. Ein falscher Alarm, bei dem ein Fels aussah wie ein Bär, war harmlos. Einen echten Bären zu übersehen, war tödlich. Diese uralte Software läuft auch heute noch auf Hochtouren in deinem Kopf.

Dein Gehirn hasst den Zufall

Unser Gehirn ist eine absolute Effizienzmaschine. Es versucht, alle eingehenden Informationen so schnell wie möglich zu verarbeiten, indem es sie mit bekannten Mustern abgleicht. Das Gesicht ist dabei eines der wichtigsten Muster überhaupt. Laut einer Studie, über die auch SRF berichtete, aktivieren diese vermeintlichen Gesichter sogar die gleichen visuellen Mechanismen im Gehirn wie echte.[1] Das Gehirn unterscheidet in den ersten Millisekunden kaum, ob es eine Steckdose oder das Gesicht deiner besten Freundin sieht.

Interessanterweise neigen wir dazu, diesen zufälligen Gesichtern nicht nur eine Form, sondern auch Emotionen und sogar ein Geschlecht zuzuordnen. Eine US-Studie fand heraus, dass die meisten bei der Pareidolie erkannten Gesichter als jung und männlich wahrgenommen werden.[1] Forscher vermuten, dass unser Gehirn zusätzliche, spezifischere Merkmale benötigt, um ein Gesicht als weiblich zu klassifizieren. Ohne diese Zusatzinfos springt es zur Standardeinstellung „männlich“.

Pareidolie im Alltag: Wo du überall Gesichter finden kannst

Wenn du einmal anfängst, darauf zu achten, wirst du sie überall entdecken. Es ist ein bisschen wie ein verstecktes Spiel in deinem Alltag. Die Welt wird plötzlich viel lebendiger – und oft auch witziger.
Hier sind ein paar klassische Orte, an denen du fündig wirst:

  • Autos: Die Frontpartie von Autos ist ein Paradebeispiel. Scheinwerfer werden zu Augen, der Kühlergrill zum Mund. Manche Autos schauen richtig aggressiv, andere (wie ein alter VW Käfer) eher niedlich. Autodesigner nutzen diesen Effekt gezielt, um Emotionen zu wecken.
  • Gebäude: Fenster als Augen, die Tür als Mund. Manche Häuser sehen aus, als würden sie dich unentwegt anstarren.
  • Essen: Der Klassiker ist das „Jesus-Gesicht“ auf einem Toastbrot, aber auch ein Spiegelei, ein Keks oder eben eine aufgeschnittene Paprika können plötzlich menschliche Züge annehmen.
  • Technische Geräte: Steckdosen, Kameras, Lautsprecherboxen – alles, was zwei runde Elemente nebeneinander hat, ist ein potenzieller Kandidat.
  • Natur: Holzmaserungen, Felsformationen, Baumrinde, Wolken oder sogar Schaumkronen auf dem Meer. Hier ist die Vielfalt grenzenlos.

Mein persönlicher Pareidolie-Fail

Ich gebe es zu, ich bin voll auf den Zug aufgesprungen und habe angefangen, die lustigsten Gesichter im Alltag zu fotografieren. Neulich sah ich nach einem Regenschauer die perfekte Pfütze auf dem Balkon. Sie formte ein unglaublich trauriges, fast weinendes Gesicht. „Das wird mein nächster viraler Post“, dachte ich mir. Ich holte mein Handy, lehnte mich für den perfekten Winkel weit raus und – zack – rutschte mir das Handy aus der Hand. Es landete nicht im Wasser, aber mit einem fiesen Klacken auf den Fliesen. Als ich es aufgehoben hatte und wieder zur Pfütze blickte, hatte der Wind die Form schon zerstört. Das Gesicht war weg. Übrig blieb nur eine normale Pfütze und ein Kratzer im Display. Manchmal ist die Magie eben flüchtig.

Mach ein Spiel draus: Die Pareidolie-Challenge

Statt gelangweilt aus dem Fenster zu schauen oder auf dein Handy zu starren, kannst du Pareidolie aktiv nutzen, um deine Umgebung neu zu entdecken. Es ist das perfekte Spiel für lange Autofahrten, Wartezimmer oder einfach nur für einen Spaziergang durch die Stadt.

Hier ist eine kleine Anleitung für deine persönliche Challenge:

  1. Wähle eine Kategorie: Entscheide dich, worauf du dich heute konzentrieren willst. Suchst du nur Gesichter in Gebäuden? Oder in der Natur? Das schärft deinen Blick für Details.
  2. Finde das emotionalste Gesicht: Wer findet das grimmigste Auto auf dem Parkplatz? Wer entdeckt die fröhlichste Wolke am Himmel? Bewertet eure Funde nach Emotionen. Das bringt eine ganz neue Ebene ins Spiel.
  3. Erstelle eine Foto-Sammlung: Mach Fotos von deinen besten Fundstücken. Du kannst daraus eine lustige Collage erstellen oder sie mit Freunden teilen. Eine meiner Freundinnen hat einen ganzen Instagram-Account nur für die Gesichter, die sie im Alltag entdeckt.
  4. Denk dir eine Geschichte aus: Was hat die traurige Kaffeetasse wohl erlebt? Warum lacht der Briefkasten so schelmisch? Gib den Gesichtern eine kleine Hintergrundgeschichte. Das ist eine super Kreativitätsübung, besonders mit Kindern.

Dieses kleine Spiel kostet nichts und macht die Welt um dich herum sofort ein bisschen spannender und persönlicher. Es ist eine tolle Möglichkeit, deine Wahrnehmung zu trainieren und die kleinen, lustigen Zufälle des Lebens zu feiern.

Ist Pareidolie jemals ein Problem?

Für die allermeisten Menschen ist Pareidolie eine harmlose und oft amüsante Eigenart des Gehirns. Es ist ein Zeichen dafür, dass deine Mustererkennung einwandfrei funktioniert. Wie der Neurowissenschaftler Henning Beck gegenüber Deutschlandfunk Nova erklärt, hat das nichts mit Halluzinationen zu tun.[2] Eine Halluzination ist eine sehr individuelle Wahrnehmung, während ein Pareidolie-Gesicht – wie das in einer Steckdose – von vielen Menschen gleichzeitig erkannt werden kann.

Es gibt jedoch seltene Fälle, in denen eine übersteigerte Neigung zu Pareidolie mit bestimmten neurologischen oder psychischen Zuständen in Verbindung gebracht wird. Aber solange du nicht anfängst, ernsthafte Gespräche mit deiner mürrischen Käsereibe zu führen, bist du absolut im grünen Bereich. Es ist einfach nur dein Gehirn, das seinen Job macht.

Kreativität füttern mit Pareidolie

Du kannst diesen Effekt wunderbar als kreativen Anstoß nutzen. Nimm dir 15 Minuten Zeit, gehe durch deine Wohnung oder einen Park und fotografiere jedes „Gesicht“, das du findest. Wähle danach dein Lieblingsbild aus und versuche, es zu zeichnen oder eine kleine Geschichte darüber zu schreiben. Es ist eine fantastische Übung, um aus dem kreativen Trott herauszukommen und die Welt mit anderen Augen zu sehen. Die Inspiration liegt oft direkt vor dir – du musst nur hinschauen.

Die Wissenschaft hinter dem Toast-Gesicht

Was genau passiert da oben in unserem Kopf? Die Forschung hat sich intensiv damit beschäftigt. Eine bekannte Studie von Kang Lee, für die er sogar den Ig-Nobelpreis erhielt (ein Preis für Forschung, die erst zum Lachen und dann zum Denken anregt), untersuchte das Phänomen „Jesus im Toast“.[4] Die Ergebnisse zeigten, dass eine bestimmte Hirnregion, die als fusiformes Gesichtsareal (FFA) bekannt ist, bei der Wahrnehmung dieser illusorischen Gesichter besonders aktiv ist.

Diese Region ist spezialisiert auf die Verarbeitung von echten Gesichtern. Dass sie auch bei einem Stück Toast anspringt, beweist, wie stark unser Gehirn darauf getrimmt ist. Die Forschungsgruppe um Nouchine Hadjikhani konnte mittels Magnetoenzephalografie (MEG) sogar zeigen, dass die Aktivierung des FFA bei Objekten, die als Gesichter wahrgenommen werden, extrem schnell geschieht – nach etwa 165 Millisekunden.[5] Das ist fast genauso schnell wie bei echten Gesichtern. Das bestätigt, dass es sich um einen frühen, automatischen Prozess handelt und nicht um eine späte, bewusste Interpretation.

Das berühmte Gesicht auf dem Mars

Eines der bekanntesten Beispiele für Pareidolie im großen Stil ist das „Marsgesicht“. Eine Aufnahme der Viking-1-Sonde aus dem Jahr 1976 zeigte eine Felsformation, die verblüffend einem menschlichen Gesicht ähnelte. Sofort schossen Theorien über außerirdische Zivilisationen ins Kraut. Wie das Magazin Spektrum der Wissenschaft beschreibt, löste sich das Rätsel erst Jahre später auf.[3] Hochauflösende Bilder zeigten, dass es sich nur um einen Berg handelte. Das „Gesicht“ war lediglich ein Zusammenspiel aus Licht, Schatten und einer niedrigen Bildauflösung. Unser Gehirn hat die fehlenden Informationen einfach ergänzt und ein Gesicht daraus gemacht.

Dein Gehirn auf Autopilot: Ein Fazit zur Pareidolie

Pareidolie ist kein Fehler im System, sondern ein faszinierendes Feature deines Gehirns. Es ist der Beweis für eine unglaublich leistungsfähige, evolutionär geformte Mustererkennung, die im Hintergrund läuft, ohne dass du etwas dafür tun musst. Es ist eine kleine, tägliche Erinnerung daran, dass unsere Wahrnehmung keine exakte Kopie der Realität ist, sondern eine aktive Interpretation.

Also, wenn dir das nächste Mal ein Gegenstand ein Gesicht zeigt, ärgere dich nicht. Zwinker zurück. Dein Gehirn spielt nur sein Lieblingsspiel: „Ich sehe was, was eigentlich gar nicht da ist“. Und das macht den Alltag doch gleich ein ganzes Stück unterhaltsamer.

Quellen

  1. Pareidolie: Warum wir Gesichter sehen, wo eigentlich keine sind (srf.ch, abgerufen am 18.10.2023)
  2. In jedem Ding steckt ein Gesicht (Deutschlandfunk Nova, abgerufen am 18.10.2023)
  3. Gestaltwahrnehmung: Überall Gesichter (spektrum.de, abgerufen am 18.10.2023)
  4. Seeing Jesus in toast: Neural and behavioral correlates of face pareidolia (ScienceDirect, abgerufen am 18.10.2023)
  5. Early (N170) activation of face-specific cortex by face-like objects (PMC, abgerufen am 18.10.2023)

FAQs zum Thema Pareidolie

Gibt es das auch mit Geräuschen, also dass man Stimmen oder Melodien hört?

Ja, absolut! Das nennt man dann akustische oder auditive Pareidolie. Dein Gehirn versucht dabei, aus zufälligen Geräuschen wie dem Rauschen eines Ventilators, dem Brummen eines Kühlschranks oder Wasserplätschern vertraute Muster wie Stimmen oder Melodien herauszufiltern. Das Phänomen ist auch für die angeblich „versteckten Botschaften“ in Songs verantwortlich, wenn man sie rückwärts abspielt.

Sehen manche Menschen mehr Gesichter in Dingen als andere?

Das stimmt, die Neigung zur Pareidolie ist nicht bei jedem gleich stark ausgeprägt. Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle spielen können. So neigen Menschen, die neurotischer oder religiöser sind, oft stärker dazu, Muster zu erkennen. Auch deine aktuelle Stimmung kann einen Einfluss haben: Fühlst du dich zum Beispiel einsam, könnte dein Gehirn eher dazu neigen, dir gesellschaftsleistende „Gesichter“ in deiner Umgebung zu zeigen.

Können Tiere eigentlich auch Pareidolie erleben?

Das ist eine spannende Frage, die die Wissenschaft noch nicht endgültig beantworten kann. Man geht aber davon aus, dass es bei einigen Tieren wahrscheinlich ist. Vor allem bei Primaten wie Rhesusaffen wurde in Experimenten gezeigt, dass sie sehr stark auf Objekte reagieren, die auch nur grob wie Gesichter aussehen. Da die schnelle Gesichtserkennung ein evolutionärer Vorteil ist, ist es gut möglich, dass auch dein Hund oder deine Katze auf eine „bedrohlich“ aussehende Steckdose reagiert, auch wenn wir natürlich nicht wissen, was sie dabei wirklich wahrnehmen.

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