Die Grenze zwischen einer vollgestellten Wohnung und einem beginnenden Problem ist oft fließend. Hier liest du, woran sich Messie-Tendenzen früh erkennen lassen und wie du für dich oder andere erste, behutsame Schritte gehen kannst, ohne zu überfordern.
Der Moment, in dem aus Sammeln Stapeln wird
Letzten Herbst half ich einer Freundin, den Dachboden ihrer verstorbenen Tante auszuräumen. Was als sentimentale Schatzsuche begann, wurde schnell zu einer logistischen Herausforderung. Kisten über Kisten mit alten Zeitschriften, Geschirr für eine ganze Kompanie, Kleidung aus drei Jahrzehnten. Meine Freundin sagte einen Satz, der mir im Gedächtnis blieb: „Sie konnte einfach nichts weggeben. Jedes Teil hatte eine Geschichte, die sie nicht loslassen wollte.“ Das war keine böse Absicht, sondern eine tiefe emotionale Bindung an Gegenstände. Genau hier beginnt die Frage, wo normale Unordnung aufhört und wo sich Muster zeigen, die das Leben beeinträchtigen. Es geht nicht um den perfekt aufgeräumten Haushalt, sondern um den Punkt, an dem das eigene Zuhause seine Funktion als Rückzugsort verliert, weil die Gegenstände die Kontrolle übernehmen. Messie-Tendenzen früh erkennen bedeutet, solche Muster wahrzunehmen, lange bevor sie zu einem unüberwindbaren Berg anwachsen.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass dieser Prozess schleichend ist. Zuerst ist es nur der eine Stuhl, auf dem sich die Wäsche sammelt. Dann wird die Ablage in der Küche zur Dauerparkzone für ungeöffnete Post. Irgendwann stellt man fest, dass der Esstisch seit Monaten nicht mehr zum Essen genutzt wurde. Diese Entwicklung ist oft von Scham begleitet, was es zusätzlich erschwert, darüber zu sprechen oder Hilfe anzunehmen. Die Auseinandersetzung damit, was uns dazu bewegt, Dinge anzuhäufen, ist der erste Schritt, um wieder mehr Raum zum Leben zu gewinnen – buchstäblich und im übertragenen Sinne. Es ist ein Thema, das viele Menschen betrifft, auch wenn nur wenige offen darüber reden.
Was ist pathologisches Horten eigentlich?
Der umgangssprachliche Begriff „Messie-Syndrom“ beschreibt ein Verhalten, das in der Psychologie als pathologisches Horten oder Hortungsstörung bezeichnet wird. Seit der elften Version der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-11) ist es als eigenständiges Störungsbild erfasst.[3] Kernmerkmal ist die anhaltende Schwierigkeit, sich von Besitztümern zu trennen, unabhängig von deren tatsächlichem Wert.[2] Diese Schwierigkeit führt dazu, dass sich so viele Gegenstände ansammeln, dass Wohnbereiche nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck genutzt werden können. Es geht also nicht um eine vorübergehende Unordnung, etwa nach einem Umzug oder einer Erbschaft, sondern um ein dauerhaftes Muster. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 2 bis 6 Prozent der Bevölkerung betroffen sind.[2] Die ersten Anzeichen zeigen sich oft schon im Jugendalter und können sich mit den Jahren verstärken.[1]
Betroffene verspüren ein starkes Bedürfnis, Dinge aufzubewahren, und der Gedanke, etwas wegzuwerfen, löst erhebliches Unbehagen oder Stress aus. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Manchmal steckt die Überzeugung dahinter, die Gegenstände könnten in Zukunft noch nützlich sein. Oft besteht auch eine starke emotionale Verbindung zu den Objekten; sie erinnern an glückliche Zeiten, geliebte Menschen oder Haustiere.[1] Das Horten kann ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Wohnung wird zu einer Art Schutzburg aus Dingen. Gleichzeitig führt das Chaos oft zu sozialer Isolation, weil Betroffene niemanden mehr nach Hause einladen, und kann reale Gefahren wie Stolperfallen oder eine erhöhte Brandgefahr schaffen.
Abgrenzung zum Sammeln
Pathologisches Horten ist klar vom leidenschaftlichen Sammeln zu unterscheiden. Sammler suchen gezielt nach bestimmten Objekten, sei es Briefmarken, Bücher oder Modellautos. Ihre Sammlungen sind in der Regel organisiert, sortiert und werden präsentiert. Die Gegenstände haben einen definierten Platz und führen nicht dazu, dass Lebensräume unbenutzbar werden.[1] Eine große Büchersammlung, die ordentlich in Regalen steht, ist etwas anderes als Zeitungsstapel, die den Weg zum Fenster blockieren. Beim Horten geht es um eine Ansammlung von Dingen ohne Systematik, die oft den Überblick unmöglich macht und die Lebensqualität erheblich einschränkt. Die Gegenstände sind bunt gemischt und umfassen oft auch Dinge, die objektiv als wertlos gelten, wie alte Verpackungen, Werbeprospekte oder kaputte Geräte.
Die emotionale Verbindung zu den Dingen
Warum fällt das Loslassen so schwer? Dahinter steckt oft mehr als bloße Unentschlossenheit. Jeder Gegenstand kann mit einer Erinnerung, einer Absicht oder einem Gefühl verknüpft sein. Das alte T-Shirt erinnert an ein tolles Konzert, der Stapel Bastelmaterial war für ein Projekt gedacht, das nie begonnen wurde, und die vielen leeren Gläser könnten ja noch zum Einmachen gebraucht werden. Das Wegwerfen dieser Dinge fühlt sich dann so an, als würde man ein Stück seiner eigenen Geschichte, seiner Pläne oder seiner Identität aufgeben. Es kann auch mit dem Wunsch zusammenhängen, nichts zu verschwenden, oder mit der Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen. Diese emotionale Last macht das Aufräumen zu einer psychisch anstrengenden Aufgabe, die immer wieder aufgeschoben wird.
Frühe Anzeichen im Alltag wahrnehmen
Messie-Tendenzen früh zu erkennen, gelingt am besten, wenn man auf konkrete Verhaltensweisen und Veränderungen im Wohnumfeld achtet. Es sind oft kleine, sich wiederholende Muster, die in der Summe auf eine tiefere Problematik hindeuten. Dabei geht es weniger um eine ästhetische Bewertung, sondern um die Funktionalität des Alltags. Die Anzeichen können sich sowohl im Umgang mit Gegenständen als auch im sozialen Verhalten zeigen.
Schwierigkeiten beim Entscheiden und Loslassen
Ein zentrales frühes Anzeichen ist eine ausgeprägte Unentschlossenheit, wenn es darum geht, Dinge zu entsorgen. Die Frage „Behalten oder wegwerfen?“ wird zur unüberwindbaren Hürde. Das führt dazu, dass selbst wertlose oder kaputte Gegenstände aufbewahrt werden. Beispiele sind Stapel alter Zeitungen und Werbepost, leere Verpackungen, die „noch nützlich sein könnten“, oder defekte Elektrogeräte, die auf eine Reparatur warten, die nie stattfindet. Personen mit dieser Tendenz vermeiden es aktiv, Entscheidungen über ihren Besitz zu treffen. Ausmisten wird so lange aufgeschoben, bis der Gedanke daran bereits Stress auslöst. Oft wird das Horten damit begründet, dass die Dinge noch einen potenziellen Nutzen haben, auch wenn dieser sehr unwahrscheinlich ist.
Wenn Räume ihre Funktion verlieren
Ein weiteres klares Signal ist, wenn Flächen und ganze Räume nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck genutzt werden können. Der Schreibtisch ist so vollgestellt, dass man daran nicht mehr arbeiten kann. Das Bett ist mit Kleidung und Büchern belegt, sodass nur noch eine kleine Liegefläche frei ist. Die Küchenarbeitsplatte dient als Ablage, was das Kochen unmöglich macht.[2] Zuerst sind es vielleicht nur kleine Ecken, doch mit der Zeit breitet sich die Unordnung aus. Es entstehen schmale Pfade durch die Wohnung, während Tische, Stühle und Böden unter den Dingen verschwinden. Wenn die Wohnung ihre Funktion als Lebensraum verliert und nur noch ein Lager ist, ist das ein deutliches Warnzeichen.
Erfahrungsbeispiel – Rahmen & Grenzen
Bei der erwähnten Wohnungsauflösung versuchten meine Freundin und ich anfangs, einen ganzen Raum an einem Tag zu schaffen. Das Ergebnis war pure Überforderung. Nach zwei Stunden starrten wir auf einen noch größeren Berg in der Mitte des Zimmers und fühlten uns völlig entmutigt. Meine Freundin war den Tränen nahe, weil jede Entscheidung sie an ihre Tante erinnerte. Wir haben gemerkt: Unser Ziel war zu groß, der emotionale Druck zu hoch. An diesem Tag haben wir kaum etwas geschafft, weil wir die psychische Komponente komplett unterschätzt hatten.
Sozialer Rückzug als Folge
Menschen, die zum Horten neigen, schämen sich oft für den Zustand ihrer Wohnung. Diese Scham führt dazu, dass sie niemanden mehr einladen – keine Freunde, keine Familie, nicht einmal Handwerker.[1] Der soziale Kontakt verlagert sich ausschließlich nach draußen. Wenn eine Person plötzlich immer Ausreden findet, warum ein Treffen nicht bei ihr zu Hause stattfinden kann, oder panisch reagiert, wenn jemand unangekündigt vor der Tür steht, kann das ein Hinweis sein. Dieser Rückzug verstärkt die Isolation und macht es noch schwerer, aus dem Kreislauf auszubrechen. Die Wohnung wird zum geheimen Gefängnis, das vor der Außenwelt verborgen wird.
Wenn du überlegst, wie du Ordnung in deine Sachen bringen kannst, sind durchdachte Aufbewahrungssysteme oft ein guter Anfang. Sie schaffen nicht nur Platz, sondern auch eine klare Struktur, die das Sortieren erleichtert.
Zuletzt aktualisiert am 8. September 2025 um 17:11 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.Wie kann man für sich selbst gegensteuern?
Wenn du bei dir selbst Tendenzen zum Horten bemerkst, ist die wichtigste Erkenntnis: Du kannst aktiv etwas tun. Es geht nicht darum, von heute auf morgen ein minimalistisches Leben zu führen. Kleine, aber stetige Gewohnheiten sind weitaus wirksamer als radikale Aufräumaktionen, die oft in Frustration enden. Der Fokus liegt darauf, die Kontrolle zurückzugewinnen und neue Routinen zu etablieren.
Eine Sache pro Tag
Der Gedanke, die ganze Wohnung aufräumen zu müssen, ist lähmend. Setze dir stattdessen ein winziges, erreichbares Ziel: Nimm dir vor, jeden Tag nur einen einzigen Gegenstand loszuwerden. Das kann eine alte Zeitschrift, ein kaputter Stift oder ein einzelnes Kleidungsstück sein, das du nicht mehr trägst. Diese Methode baut den Entscheidungsdruck ab und schafft ein tägliches, kleines Erfolgserlebnis. Mit der Zeit summieren sich diese kleinen Erfolge und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, wird trainiert. Du kannst das Ziel langsam steigern, zum Beispiel auf fünf Dinge pro Tag, sobald du dich sicherer fühlst.
Feste Plätze für alles schaffen
Chaos entsteht oft, weil Dinge keinen festen Platz haben. Nimm dir einen Bereich nach dem anderen vor und lege fest, wo was hingehört. Schlüssel kommen an das Schlüsselbrett, Post in eine bestimmte Ablage, Bücher ins Regal. Anfangs erfordert das Disziplin, aber nach einer Weile wird es zur Gewohnheit. Wenn alles seinen Platz hat, ist es viel einfacher, Ordnung zu halten und neu hinzukommende Dinge direkt wegzuräumen. Das schafft eine äußere Struktur, die auch dabei hilft, innerlich klarer zu werden. Eine aufgeräumte Umgebung kann das Gefühl von Kontrolle und Ruhe deutlich erhöhen.
Um neue Gewohnheiten zu etablieren, kann ein strukturierter Planer helfen. Darin lassen sich kleine tägliche Ziele festhalten und der Fortschritt wird sichtbar, was zusätzlich motiviert.
Zweiter Versuch – was sich verändert hat
Am nächsten Wochenende änderten wir unsere Taktik. Statt eines ganzen Raumes nahmen wir uns nur ein einziges Regal vor. Wir stellten drei Kisten auf: „Behalten“, „Spenden/Verschenken“ und „Entsorgen“. Jedes Teil wurde nur einmal in die Hand genommen und einer Kiste zugeordnet. Das Ziel war klein und greifbar. Nach einer Stunde war das Regal leer, sortiert und wir hatten ein klares Erfolgserlebnis. Diese Methode war viel weniger emotional belastend und hat gezeigt, dass die Größe des Ziels den entscheidenden Unterschied macht.
Fragen, die beim Sortieren helfen
Wenn du unsicher bist, ob du etwas behalten sollst, können dir gezielte Fragen bei der Entscheidung helfen. Nimm einen Gegenstand in die Hand und gehe die folgende Liste durch. Die Antworten geben dir eine gute Grundlage für eine rationale Entscheidung, die nicht nur auf einem vagen Gefühl beruht. Hier sind einige Anregungen dazu:
- Habe ich diesen Gegenstand im letzten Jahr benutzt?
- Würde ich ihn heute noch einmal kaufen?
- Besitze ich bereits etwas Ähnliches, das den gleichen Zweck erfüllt?
- Repariere ich das wirklich in den nächsten vier Wochen?
- Macht mich dieser Gegenstand glücklich oder belastet er mich?
- Ist die Erinnerung an das Ereignis wichtiger als der Gegenstand selbst?
- Welches schlimmste Szenario tritt ein, wenn ich das jetzt weggebe?
Wie kann man andere unterstützen?
Wenn du bei einer nahestehenden Person Messie-Tendenzen früh erkennen und Hilfe anbieten möchtest, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Vorwürfe, Druck oder unangekündigte Aufräumaktionen sind kontraproduktiv und können das Vertrauen nachhaltig zerstören. Unterstützung funktioniert nur auf Augenhöhe und mit dem Einverständnis der betroffenen Person.
Druck vermeiden, Verständnis zeigen
Der wichtigste Grundsatz lautet: Verurteile die Person nicht. Mache deutlich, dass du dir Sorgen um ihr Wohlbefinden machst, nicht um die Unordnung. Sätze wie „Das sieht ja furchtbar hier aus!“ bewirken nur Scham und Abwehr. Formuliere deine Beobachtungen als Ich-Botschaften, zum Beispiel: „Ich mache mir Sorgen, dass du dich hier nicht mehr wohlfühlst“ oder „Ich habe Angst, dass du über die Stapel stolperst.“ Zeige, dass du die emotionale Bindung an die Dinge anerkennst, auch wenn du sie nicht nachvollziehen kannst. Eine respektvolle und geduldige Haltung ist die Basis für jede Form der Hilfe.
Konkrete, kleine Hilfsangebote machen
Statt einer vagen Frage wie „Soll ich dir mal beim Aufräumen helfen?“ sind konkrete, überschaubare Angebote besser. Diese nehmen der betroffenen Person den Druck, ein riesiges Projekt koordinieren zu müssen. Du könntest zum Beispiel vorschlagen: „Wollen wir am Samstag zusammen eine Stunde lang nur die Altpapierstapel zum Container bringen?“ oder „Ich kann dir helfen, die kaputte Kaffeemaschine zum Wertstoffhof zu fahren.“ Solche kleinen, gemeinsamen Aktionen können erste Erfolge schaffen und die Handlungslähmung durchbrechen. Feiere jeden noch so kleinen Fortschritt gemeinsam.
Achtung: Grenzen der Laienhilfe
Es gibt Situationen, in denen freundschaftliche Unterstützung nicht mehr ausreicht. Wenn die hygienischen Zustände gesundheitsgefährdend sind, eine erhebliche Brandgefahr besteht, Ungeziefer auftritt oder eine Zwangsräumung droht, ist professionelle Hilfe unumgänglich. In solchen Fällen ist es wichtig, externe Stellen wie das Gesundheits- oder Sozialamt zu kontaktieren, auch wenn dieser Schritt schwerfällt.
Wann ist professionelle Hilfe sinnvoll?
Selbsthilfe und die Unterstützung durch Freunde und Familie haben ihre Grenzen. Wenn das Horten das tägliche Leben stark beeinträchtigt, zu erheblichem Leid führt, soziale Beziehungen belastet oder die Sicherheit gefährdet, ist es an der Zeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein mutiger und verantwortungsvoller Schritt. Eine Hortungsstörung ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die gezielt behandelt werden kann.[3] Die erste Anlaufstelle kann der Hausarzt sein, der an entsprechende Fachleute verweisen kann. Psychotherapeutische Verfahren, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, haben sich bei der Behandlung als wirksam erwiesen.[2]
In der Therapie lernen Betroffene, ihre Denkmuster und Verhaltensweisen in Bezug auf Besitz zu verändern. Es geht darum, neue Fähigkeiten im Entscheiden, Organisieren und Loslassen zu erlernen. Auch der Umgang mit den zugrundeliegenden Emotionen wie Angst oder Trauer ist ein wichtiger Bestandteil. Manchmal kann das Horten auch Symptom einer anderen Erkrankung wie einer Depression oder einer Angststörung sein, was eine genaue Diagnostik erfordert. Der Weg aus dem Chaos ist oft lang, aber mit der richtigen Unterstützung ist es möglich, wieder mehr Lebensqualität und Kontrolle über das eigene Zuhause zu erlangen.
Quellen
- Hoarding disorder – Symptoms and causes (abgerufen am 08.09.2025)
- Messie-Syndrom – MSD Manual Profi-Ausgabe (abgerufen am 08.09.2025)
- Messie-Syndrom – Wikipedia (abgerufen am 08.09.2025)
FAQs zum Thema Messie-Tendenzen früh erkennen
Steckt hinter dem Horten oft noch eine andere psychische Erkrankung?
Ja, das ist sogar recht häufig der Fall. Eine Hortungsstörung kann zwar für sich allein stehen, tritt aber oft gemeinsam mit anderen psychischen Belastungen auf. Dazu gehören vor allem Depressionen, Angststörungen oder auch eine Zwangsstörung (OCD), auch wenn das Horten mittlerweile als eigenständiges Krankheitsbild gilt. Manchmal ist das Festhalten an Dingen eine unbewusste Strategie, um mit anderen, tiefer liegenden Gefühlen wie Trauer oder Angst umzugehen. Deshalb ist eine professionelle Diagnose so wichtig, um die gesamte Situation zu verstehen.
Gehört zum Horten auch übermäßiges Kaufen oder das Sammeln kostenloser Dinge?
Auf jeden Fall. Das pathologische Horten hat meist zwei Seiten: die Schwierigkeit, Dinge loszulassen, und den starken Drang, sich neue Dinge zu beschaffen. Dieses Verhalten beschränkt sich nicht nur auf zwanghaftes Einkaufen. Betroffene sammeln oft auch exzessiv kostenlose Gegenstände wie Werbeprospekte, Zeitungsbeilagen oder sogar Dinge, die andere weggeworfen haben. Der Drang, immer mehr Besitztümer anzuhäufen, ist ein ebenso zentrales Merkmal wie die Unfähigkeit, sich von ihnen zu trennen.
Wie unterscheide ich ein unordentliches Kinderzimmer von echten Hortungstendenzen?
Ein unordentliches Zimmer ist bei Kindern und Jugendlichen normal. Der entscheidende Unterschied liegt in der emotionalen Reaktion und der Funktionalität des Raumes. Während ein unordentliches Kind meist zulässt, dass aufgeräumt wird (wenn auch widerwillig), löst bei einem Kind mit Hortungstendenzen schon der Gedanke an das Wegwerfen von Dingen große Angst oder Wut aus. Zudem horten sie oft spezifische, auch wertlose Dinge wie Flaschendeckel oder kaputtes Spielzeug, und die Unordnung wird so extrem, dass der Raum seine Funktion verliert, also zum Beispiel das Bett oder der Schreibtisch nicht mehr nutzbar sind.