Kurzfassung
- Kleine Schritte statt Hau-Ruck-Verfahren bei der Unterstützung von Messies.
- Verständnis für emotionale Bindung an Gegenstände und Entscheidungsschwierigkeiten entwickeln.
- Richtige Kommunikation durch offene Fragen statt Vorwürfe.
- 3-Kisten-Methode zur Strukturierung: behalten, weggeben, vielleicht.
- Professionelle Hilfe bei drohender Verwahrlosung oder Gesundheitsgefahren suchen.
- Selbstschutz durch klare Grenzen und Verantwortungsbewusstsein.
Inhaltsverzeichnis
- Der Schock an der Tür: Wenn das Chaos sichtbar wird
- Verständnis: Warum kann er/sie nicht einfach loslassen?
- Kommunikation: Die richtigen Worte finden
- So öffnest du das Gespräch (ohne zu verletzen)
- Konkret helfen: Die Strategie der kleinen Schritte
- Die 3-Kisten-Methode für den Anfang
- Wann Profis ranmüssen
- Selbstschutz: Wie du hilfst, ohne auszubrennen
- Fazit: Geduld ist der Schlüssel
- FAQs zum Thema Messie helfen
- Was tun, wenn der Betroffene jede Hilfe ablehnt?
- Gibt es spezielle Aufräum-Coaches?
- Wie gehe ich mit meiner eigenen Wut um?
- Sollte ich heimlich Dinge wegwerfen?
Der erste Schritt ist oft der schwerste. Du stehst vor einer Wand aus Kartons, Zeitungen und Dingen, die seit Jahren nicht bewegt wurden. Der Gedanke, hier etwas zu verändern, wirkt überwältigend – für beide Seiten. Wie helfe ich einem Messie, wenn kein Ende in Sicht scheint? Die Antwort liegt nicht im „Hau-Ruck-Verfahren“, sondern in kleinen, behutsamen Schritten. Dieser Ratgeber zeigt dir, wie du unterstützen kannst, ohne zu überfordern – und ohne dich selbst dabei aufzugeben.
Der Schock an der Tür: Wenn das Chaos sichtbar wird
Stell dir vor: Du besuchst einen alten Freund. Du klingelst, die Tür öffnet sich nur einen Spaltbreit, und du blickst in ein Zimmer, in dem sich undefinierbare Gegenstände bis unter die Decke stapeln. Dein Freund wirkt verlegen, fast ängstlich.
Deine erste Reaktion ist vielleicht Panik oder der Impuls: „Wir müssen sofort einen Container bestellen!“ Doch genau das wäre falsch. Panik hilft niemandem. Der Schlüssel ist, Ruhe zu bewahren. Das Messie-Syndrom (pathologisches Horten) ist eine ernstzunehmende psychische Störung[2], kein Charakterfehler oder Faulheit.
Mache dir bewusst: Ein unüberlegtes Eingreifen („Ich räum das jetzt für dich weg!“) kann das Vertrauensverhältnis zerstören und beim Betroffenen eine Panikattacke auslösen. Du brauchst Geduld, kein Brecheisen.
Verständnis: Warum kann er/sie nicht einfach loslassen?
Für Außenstehende ist es schwer verständlich, warum jemand alte Zeitungen oder kaputte Geräte aufhebt. Doch für Betroffene haben diese Dinge oft eine Funktion:
- Emotionaler Wert: Die Gegenstände sind wie externe Festplatten für Erinnerungen („Wenn ich das wegwerfe, vergesse ich diesen Moment“).
- Sicherheit: Die Dinge bilden einen Schutzwall gegen eine als bedrohlich empfundene Außenwelt.
- Angst vor Fehlentscheidungen: Jeder Gegenstand erfordert eine Entscheidung (Behalten? Wegwerfen?). Diese ständige Entscheidungsnot ist so qualvoll, dass sie vermieden wird, indem man einfach alles behält.
Oft liegen traumatische Erlebnisse wie Verluste oder Depressionen zugrunde.[1] Wenn du verstehst, dass das Chaos eine Schutzfunktion hat, fällt es leichter, nicht wütend zu werden.
Kommunikation: Die richtigen Worte finden
Vorwürfe („Wie sieht es hier denn aus?!“) führen nur zu Scham und Rückzug. Versuche stattdessen, deine Sorgen als „Ich-Botschaft“ zu formulieren.
So öffnest du das Gespräch (ohne zu verletzen)
Statt Vorwürfen, stelle offene Fragen, die Interesse zeigen:
- „Ich mache mir Sorgen, weil ich sehe, dass du kaum noch Platz zum Laufen hast. Wie fühlst du dich damit?“
- „Gibt es etwas in deiner Wohnung, das dich belastet?“
- „Was wäre für dich der erste kleine Schritt, damit du dich wohler fühlst?“
Signalisiere: Ich bin hier, um dich zu unterstützen, nicht um dich zu verurteilen.
Konkret helfen: Die Strategie der kleinen Schritte
Wenn dein Angehöriger bereit ist, Hilfe anzunehmen: Großartig! Aber fangt bloß nicht mit der ganzen Wohnung an. Das ist wie ein Marathon ohne Training.
Die 3-Kisten-Methode für den Anfang
Wählt einen winzigen Bereich (z.B. eine Schublade oder einen Quadratmeter Boden). Arbeitet mit drei Kisten:
- Behalten: Dinge, die wirklich genutzt werden oder hohen emotionalen Wert haben.
- Weggeben: Müll, Spenden oder Recycling. (Wichtig: Diese Kiste muss die Wohnung sofort nach der Session verlassen!)
- Die „Vielleicht“-Kiste: Für alles, wo die Entscheidung zu schwerfällt. Diese Kiste wird zugeklebt und für 3 Monate in den Keller gestellt. Wenn sie bis dahin nicht geöffnet wurde, kommt sie weg. Das nimmt den Druck der sofortigen Entscheidung.
Wichtig dabei:
- Er/Sie entscheidet: Nimm ihm niemals ungefragt etwas weg. Das zerstört das Vertrauen.
- Feiert Erfolge: Eine leere Schublade ist ein riesiger Sieg!
- Begrenzte Zeit: Räumt maximal 30-60 Minuten auf. Danach ist Schluss, um Überforderung zu vermeiden.
Wann Profis ranmüssen
Manchmal reicht Freundschaft nicht aus. Wenn Verwahrlosung droht, Gesundheitsgefahren bestehen (Schimmel, Ungeziefer) oder die psychische Belastung zu hoch ist, brauchst du externe Hilfe.
Es ist keine Schande, das zuzugeben. Im Gegenteil: Es schützt eure Beziehung, wenn du wieder Freund sein kannst und nicht „Therapeut“ spielen musst.
Hier findest du Unterstützung:
| Anlaufstelle | Wie sie helfen |
|---|---|
| Sozialpsychiatrischer Dienst | Kostenlose Beratung und Hausbesuche (über das Gesundheitsamt). |
| Spezialisierte Ergotherapeuten | Helfen ganz praktisch beim Strukturieren des Alltags und der Wohnung.[3] |
| Selbsthilfegruppen | Austausch mit anderen, die genau wissen, wie es sich anfühlt. |
| Entrümpelungs-Coaches | Spezialisierte Dienstleister, die behutsam und diskret vorgehen (anders als reine Entrümpeler). |
Selbstschutz: Wie du hilfst, ohne auszubrennen
Die Frage „Wie helfe ich einem Messie?“ darf nicht dazu führen, dass du dich selbst vergisst. Das Helfersyndrom ist hier eine echte Gefahr.
- Setze Grenzen: „Ich helfe dir jeden Samstag für eine Stunde. Aber ich werde nicht deine Post sortieren, wenn du nicht dabei bist.“
- Keine Verantwortung übernehmen: Du kannst die Wohnung nicht dauerhaft ordentlich halten, wenn der Betroffene es nicht lernt. Du bist Begleiter, nicht Putzkraft.
- Suche dir selbst Halt: Sprich mit Freunden oder nutze gute Freundschaften als Ausgleich, um nicht in den Sorgen des anderen zu versinken.
Fazit: Geduld ist der Schlüssel
Es wird Rückschläge geben. Es wird Tage geben, da sieht es aus wie vorher. Das ist normal. Wichtig ist, dass der Betroffene merkt: Er ist mit seinem Problem nicht allein, und er wird als Mensch geschätzt, unabhängig vom Zustand seiner Wohnung.
Am Ende geht es nicht um den perfekten „Schöner Wohnen“-Look, sondern darum, Lebensqualität und Bewegungsfreiheit zurückzugewinnen. Schritt für Schritt.
Quellen
- aok.de Pathologisches Horten: das Messie-Syndrom (abgerufen am 17.03.2025)
- MSD Manual: Messie-Syndrom Kurzinformation (abgerufen am 17.03.2025)
- Deutscher Verband Ergotherapie: Messie-Syndrom als Organisations-Defizit (abgerufen am 17.03.2025)
FAQs zum Thema Messie helfen
Was tun, wenn der Betroffene jede Hilfe ablehnt?
Das ist schwer auszuhalten, aber du musst es akzeptieren, solange keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung (z.B. Brandgefahr) besteht. Drängen führt nur zu Widerstand. Signalisiere: „Ich akzeptiere deine Entscheidung, aber mein Angebot steht, wenn du soweit bist.“ Manchmal hilft es, wenn eine neutralere Person (z.B. ein Arzt) das Thema anspricht.
Gibt es spezielle Aufräum-Coaches?
Ja. Es gibt „Ordnungscoaches“ oder spezialisierte Entrümpler, die psychologisch geschult sind. Sie kommen nicht mit dem großen Container, sondern arbeiten behutsam mit dem Betroffenen. Achte bei der Suche auf Begriffe wie „Messie-Hilfe“ oder „zertifizierter Ordnungscoach“.
Wie gehe ich mit meiner eigenen Wut um?
Wut ist normal, wenn man sieht, wie jemand sein Leben „verhaut“. Mache dir klar: Die Unordnung ist keine Absicht, um dich zu ärgern, sondern Symptom einer Blockade. Wenn die Wut zu groß wird, zieh dich zurück. Du hilfst niemandem, wenn du explodierst.
Sollte ich heimlich Dinge wegwerfen?
Auf keinen Fall! Das ist der größte Vertrauensbruch, den du begehen kannst. Für den Betroffenen fühlt sich das an wie ein Diebstahl oder Übergriff. Es wird dazu führen, dass er dich nicht mehr in die Wohnung lässt und noch mehr hortet, um den Verlust auszugleichen.

